Michael Kiwanuka – Small Changes
|Woche für Woche reservierte Rob Stenders, damals Moderator im niederländischen Radio, täglich zehn Minuten seiner Sendung “Bonanza” für einen Song eines damals noch unbekannten Soulsängers aus London. Dieser eine Song musste unbedingt in die Top 2000. Es gelang. “Cold Little Heart” schoss 2017 auf Platz 750 der Liste. Für viele war das die erste Begegnung mit Michael Kiwanuka.
Inzwischen sind wir einige Alben weiter. “Cold Little Heart” ist nach wie vor ein bemerkenswerter Track und eröffnete das Album “Love and Hate”, das von “KIWANUKA” gefolgt wurde. Mit diesem Album gewann der britische Künstler 2020 den englischen Mercury Prize für das beste Album und erhielt zudem eine Grammy-Nominierung. Produziert wurde “KIWANUKA” von Danger Mouse und Inflo, und getreu dem Motto ‘never change a winning team’ hat das Duo auch bei der Produktion des vierten Albums mitgewirkt, das den Titel “Small Changes” trägt. Der Titel lässt bereits erahnen, dass das Album nicht versucht, neue Wege zu beschreiten.
Falls es noch Zweifel geben sollte, beseitigt der Opener “Floating Parade” diese schnell. Vom ersten Moment an erklingt ein vertrauter Sound: herrlicher Soul, der sich wie ein bislang unentdecktes Juwel aus den sechziger Jahren anfühlt. “Small Changes” setzt den erfolgreichen Kurs der bisherigen Alben fort. Man erwartet die typische, abwechslungsreiche Mischung aus Soul, Folk und einem Hauch Jazz; und genau diese Mischung bekommt man auch. Kiwanuka ist ein Künstler, der konsequent abliefert, niemals enttäuscht, aber auch nicht überrascht. Und das ist völlig in Ordnung.
Kiwanuka ist wie ein gemütlicher Sessel, der sich perfekt an einen angepasst hat, in den man sich entspannt zurücklehnt und gedankenverloren den Nachmittag träumend verbringt, fernab vom Alltag. Kiwanuka ist der laue Sommerabend, die Hand des geliebten Menschen fest umschlungen, während man den Sonnenuntergang beobachtet und der Himmel sich in den Farben der Liebe verfärbt. Kiwanuka umarmt einen mit einer Wärme, die stets vertraut und sicher wirkt, wie es nur die Großen von einst konnten – ein würdiger Erbe von Sam, Otis und Ben.
Beim Hören von “Small Changes” lässt sich eine gewisse Risikoaversion nicht leugnen. Kiwanuka wird mit diesem Album vermutlich kein neues Publikum ansprechen, doch die Fans werden auch dieses Album lieben und wertschätzen. Ein kleiner Minuspunkt könnte sein, dass das Album ohne einen echten, zeitlosen Hit wie “Cold Little Heart” auskommt. Vielleicht könnte “Lowdown” in diese Rolle schlüpfen. Der Song besteht aus zwei Teilen, in denen Kiwanuka an sich selbst und den bisher getroffenen Entscheidungen zweifelt: ‘I’ve been wrong half the time/Gotta wonder how I survived/I’ve been losing my touch’. Anschließend geht das Stück in ein instrumentales Teil über, das eine ähnliche Atmosphäre wie “Cold Little Heart” aufweist, welches ebenfalls instrumental begann.
Auch wenn dieses Album Risiken vermeidet, klingt es nie wie eine ausgetretene Pfade. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass der Songwriter es sich leicht gemacht hat, indem er einfach ein erfolgreiches Rezept kopiert hat. Dafür sind die Songs zu tiefgründig, treffen sie das Herz immer wieder aufs Neue, nicht zuletzt dank der Texte und dieser herrlichen Stimme, die an genau den richtigen Stellen eine leicht rauhe Kante aufweist.
Der Titel “Small Changes” hätte nicht besser gewählt werden können. Es sind nur kleine Veränderungen, die den charakteristischen Sound von Michael Kiwanuka jedoch unangetastet lassen. Unverändert gut. Das allerdings schon. (8/10) (Polydor/Universal Music)