Lindsey Stirling – Duality
|Die Geigerin Lindsey Stirling beschreibt ihr neuestes Album mit dem treffenden Titel “Duality” als zwei Alben in einem. Die Idee hinter diesem Namen ist, dass die zwölf Songs auf “Duality” aus zwei sehr unterschiedlichen Seiten ihrer selbst stammen, wie die amerikanische Künstlerin erklärt. Das Ergebnis ist Stirlings vielseitigstes Album seit Jahren, einerseits mit vielfältigen musikalischen Einflüssen aus aller Welt und andererseits mit Stirlings bekannter Kombination aus Geigenspiel und elektronischer Musik.
Es ist nun schon fünf Jahre her, seit Stirling ein Album mit ausschließlich eigener Musik veröffentlicht hat (“Artemis”). Natürlich konnten wir 2022 auch “Snow Waltz” genießen, aber da es sich um ein Weihnachtsalbum handelt, finden sich hier hauptsächlich Cover von Weihnachtsliedern. Dass wir nun wieder von Anfang bis Ende neue, selbstgeschriebene Songs auf “Duality” genießen können, ist daher eine Wohltat. Laut der Beschreibung, die Maxazine mit dem Rezensions-Exemplar von “Duality” erhalten hat, ist die erste Hälfte des Albums von Musik aus verschiedenen Teilen der Welt inspiriert. Das ist sofort in der Eröffnungsnummer “Evil Twin” zu hören, einem kräftigen und (für Stirlings Verhältnisse) düsteren Song mit einem Hauch von Dubstep und ägyptischen Einflüssen (das Musikvideo wurde auch bei den Pyramiden von Gizeh gedreht).
Anschließend präsentiert das mitreißende “Eye Of The Untold Her” Stirlings Geigentalent in voller Pracht, mit vielen Tempowechseln und einer Kombination verschiedener Spieltechniken. Dies ist der erste Song von “Duality”, den Stirling mit ihren Fans geteilt hat, und er ist inspiriert von den unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Herausforderungen, die sie in ihrer Karriere gemeistert hat. Die Botschaft lautet, niemals aufzugeben, und der Song endet daher mit einer optimistischen Melodie. Dieser Optimismus setzt sich in dem mitreißenden “Surrender” fort (vielleicht paradox, angesichts des Titels), gefolgt von dem ruhigeren “Serenity Found”. Besonders letzterer Song ist wunderschön: Durch die ruhigen, an asiatische Melodien erinnernden Hintergrundklänge und das langsamere Tempo steht Stirlings Geige hier wirklich im Mittelpunkt. “Untamed”, mit klaren keltischen Einflüssen, ist dagegen kraftvoll und energiegeladen.
In dem Song “Purpose” singt Stirling im Hintergrund und gibt ihren Zuhörern damit ebenfalls etwas mit auf den Weg: ‘give yourself a reason’. Trotz der positiven Botschaft ist dieser Song in Bezug auf die Produktion etwas weniger gelungen: Der Gesang und die Bassfrequenzen scheinen manchmal nicht ganz im Gleichgewicht zu sein, wodurch das Geigenspiel von Stirling gelegentlich in den Hintergrund gedrängt wird und der Text nicht immer verständlich ist.
“The Scarlet Queen” ist dann wieder eine angenehme Abwechslung und erinnert ein wenig an “Masquerade” auf Stirlings früherem Album “Artemis”, aber mit einem leichten Dubstep-Beat. Der darauf folgende Song “Inner Gold” hat ebenfalls einen herrlichen Beat, der perfekt zur Stimme von Royal & the Serpent passt. Auch auf “Survive” ist Gesang zu hören, diesmal von Sarah Blackwood von Walk off the Earth. Der Song ist eine deutliche Anspielung auf den Discokracher “I Will Survive” von Gloria Gaynor. Dank des eingängigen Rhythmus und der spanisch klingenden Melodie ist “Survive” jedoch auch für sich genommen ein starker Song, der auch beim Eurovision Song Contest nicht fehl am Platz wäre (und gute Chancen auf den Sieg hätte!).
Ähnlich wie in “Purpose” gibt Stirling im Track “Kintsugi” ebenfalls gesungene Ratschläge (‘give it time’ dieses Mal). Im Vergleich zu “Purpose” ist die Produktion von “Kintsugi” jedoch feiner, Stirlings hoffnungsvoller Hintergrundgesang kommt hier besser zur Geltung und fügt sich gut in die Noten ihrer Geige ein. Das schwerere “Firefly Alley” ist dagegen etwas unausgewogener in Bezug auf die Produktion, wodurch Stirlings Instrument an einigen Stellen von den harten elektronischen Tönen übertönt wird. Glücklicherweise gelingt es Stirling, das Album mit dem fröhlichen “Les Fées” abzurunden, gekennzeichnet durch eine fröhliche, vielleicht sogar exzentrische Melodie und Hintergrundgesang auf Französisch. Damit fasst die Geigerin die verschiedenen Elemente von “Duality” treffend im letzten Song zusammen.
Trotz der verschiedenen Einflüsse ist es Stirlings großes Verdienst, dass sie “Duality” dennoch zu einem Ganzen gemacht hat. In ihrer Musik geht es immer wieder um das Überwinden persönlicher Hindernisse und den Glauben an sich selbst. Trotz Stirlings Ansicht, dass dieses Album im Grunde aus zwei separaten Hälften besteht, zumindest was den Klang betrifft, sind diese Themen auch hier wieder präsent und ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Songs. Einige Songs sind düster, andere hoffnungsvoll, aber auf dem gesamten Album scheint Stirling ihre Zuhörer zu ermutigen, in schwierigen Zeiten stark zu bleiben, und gibt ihnen manchmal sogar buchstäblich Ratschläge. Der wichtigste Kritikpunkt ist, dass die Produzenten manchmal etwas über das Ziel hinausgeschossen sind, wodurch das Geigenspiel von Stirling gelegentlich unnötig stark mit den Hintergrundmelodien konkurriert. Glücklicherweise sind diese Momente selten und beeinträchtigen nicht die Tatsache, dass “Duality” trotz der selbst erklärten gespaltenen Persönlichkeit Stirlings weiterhin wie ein Fels steht. Tatsächlich ist dies Stirlings bestes Album seit “Shatter Me” aus dem Jahr 2014, was “Duality” auch zu einem fantastischen 10-Jahres-Jubiläumsgeschenk macht. (9/10) (Lindseystomp Music)