Bruce Springsteen – Only The Strong Survive

Fans von The Boss reagierten mit gemischten Reaktionen, als er ankündigte, dass er ein Coveralbum mit Coverversionen von Soul-Songs hauptsächlich aus den 60er und 70er Jahren veröffentlichen würde. Viele Fans finden es einen leichten Schritt und wenig originell. Im Moment brennt die Welt. Während Bruce in der Vergangenheit in solchen Momenten immer eine musikalische Antwort fand. Wie 1984 bei „Born In The U.S.A.“ als Reaktion auf den damaligen Kalten Krieg, 2002 mit „The Rising“ nach den Anschlägen vom 11. September, „Magic“ 2007 eine Anklage gegen den Irak-Krieg und mit „Wrecking Ball“ 2012 vehement gegen den Finanzkrise. Auch auf seinem bisher einzigen Coveralbum „We Shall Overcome“ mit zuvor von Pete Seeger gesungenen Songs gelang es ihm, es auf die damaligen Weltverhältnisse zu übertragen. Aber danach fing Bruce an, zurückzublicken. Die Vorgängeralben „Western Stars“ (2019) und „Letter To You“ (2020) sind die Texte eines Mannes, der sich im Winter seines Lebens befindet.

Dabei ist die Wahl für ein Soul-Album für Bruce eigentlich nicht überraschend. Während seiner Tourneen mit The E Street Band spielt er regelmäßig ein Soul-Cover (zB „Twist & Shout“ von The Isley Brothers). 1986 hatte er auch einen Welthit mit Soul-Cover: eine Live-Version von Edwin Starrs „War“. Dass er ein Soul-Liebhaber ist, hat er nie verhehlt, weshalb man dieses Album nun als seine Hommage an den Soul sehen kann, der auch seine Karriere beeinflusst hat.

Denn für Soul-Liebhaber ist die Songauswahl zum Fingerlecken gut. Bemerkenswerterweise wählte Bruce für die erste Single einen obskuren Song: „Do I Love You (Indeed I Do)“ von Produzent Frank Wilson. Der Grund, warum er als Sänger nie durchbrach, war, dass er kurz vor der Veröffentlichung des Originals beschloss, nur noch als Produzent tätig zu sein, und fast alle gepressten Exemplare der Single vernichten ließ. Das Lied erblickte schließlich Ende der 1970er Jahre das Licht der Welt. Auffallend, wie Bruce es schafft, ihm in seiner Version den typischen ‘E Street Band’-Sound zu verleihen. Das tut er auch mit dem Ben E. King bei „Don’t Play That Song“ und „Any Other Way“ von Jackie Shane. Wo die Originalsongs leise sind, weiß Bruce, wie man den Songs ein wenig mehr Würze verleiht. Wenn man sich die Tracklist ansieht, scheint der 80er-Hit „Nightshift“ von The Commendores unter all den 60er- und 70er-Songs seltsam zu sein, aber der Song passt auf wundersame Weise perfekt zu Bruce’ rauer Stimme. In seiner Version hätte es ein Song auf seinem eigenen Album „The Rising“ sein können. “When She Was My Girl” von The Four Tops bekommt sogar eine leicht funky Sauce auf Bruce.

Andere Songs bleiben sehr nah am Original, wie das andere Four-Tops-Cover „7-Rooms of Gloom“ und Jimmy Ruffins „What’s Become Of The Broken Hearted“, aber es ist eindeutig mit Respekt vor seinen Soul-Helden gemacht. Mit 73 hat sich Bruce längst bewiesen und zieht den Hut vor seinen Soul-Helden. Der Untertitel „Covers Volume 1“ deutet darauf hin, dass Bruce ein weiteres Coveralbum veröffentlichen wird. Gut, warum nicht? Bob Dylan füllte nicht weniger als 3 Alben mit Covers von Frank Sinatra. Andere Künstler seines Alters und älter haben sich viel früher mit der Vergangenheit abgefunden als Bruce. Wir können uns jetzt schon freuen, dass er immer noch so aktiv ist und nächstes Jahr endlich wieder mit The E Street Band auf Tour geht. Ein Single-Soul-Cover dieses Albums stünde seiner eigenen Arbeit in nichts nach, denn neben seinen eigenen Songs hat er regelmäßig einen Soul-Song live gespielt. In den Jahren, in denen er seit 2016 nicht mehr getourt ist, hat er mit diesem Album nun 3 Alben veröffentlicht. Gespannt, was wir davon endlich live hören werden. (8/10) (Columbia)

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