The Day: Mehr als nur Dream-Pop

The Day macht auch auf ihrem zweiten Album genau das, wofür sie bekannt sind: wunderschönen, durchdachten Dream-Pop kreieren, um sich eine Weile von dieser Welt zu entfernen. Gleichzeitig spielt jedoch auch diese Welt eine große Rolle in ihren Songs. Und Dream-Pop ist eigentlich ein zu begrenzter Begriff. Es ist also höchste Zeit für ein Gespräch.

Der Laptop-Bildschirm ist ordentlich in zwei Bereiche unterteilt. Links ist Laura Loeters zu sehen, die Niederländerin, die jetzt in Antwerpen lebt. Rechts sitzt Gregor Sonnenberg aus dem deutschen Hamburg. Sie haben sich am Konservatorium in Arnhem kennengelernt und bilden zusammen The Day. Der unmittelbare Anlass für das Gespräch ist die Veröffentlichung ihres zweiten Albums “The Kids Are Alright”. “Es ist ein Album mit mehreren Geschichten, die miteinander verbunden sind. Von persönlichen Entwicklungen und Ängsten bis hin zur Problematik der Welt. Dinge, mit denen unsere Generation sehr beschäftigt ist und die uns in den letzten Jahren noch stärker geprägt haben, als wir es jetzt sind.” Die beiden Enddreißiger bieten damit einen Einblick in ihre Lebenseinstellung. “Die Songs auf dem neuen Album wurden in den letzten fünf Jahren geschrieben, also nach unserem Debütalbum ‘Midnight Parade’. Eine ziemlich lange Zeit, in der man auch viele verschiedene Seiten von uns hört. Aber die Kenner unseres Debüts sagen, dass wir immer noch gut als The Day erkennbar sind.”

Die lange Zeit von fünf Jahren hat unter anderem mit Corona zu tun. Laura, die Texterin, erinnert sich noch sehr gut: “Man hat keine Ahnung, was passiert. Man hat Angst vor etwas, das da draußen passiert, und verliert die Kontrolle. Das hat es wirklich schwierig gemacht, über das Schreiben von Texten oder überhaupt über Inspiration nachzudenken. Ja, ich war wirklich blockiert…” Gregor ergänzt, und man bekommt das Gefühl, dass die Zusammenarbeit und Atmosphäre zwischen den beiden nicht nur während dieses Gesprächs sehr gut ist, sondern auch als musikalisches Duo sein muss. “Wir haben damals Cover gespielt: ‘Jij Wint’ von Spinvis und ‘Tenderfoot’ von The Lemonheads. Die haben uns viel Freiheit gegeben. Sie haben dazu beigetragen, dass viele Ideen entstanden sind. ‘Tenderfoot’ hat es sogar auf das Album geschafft.”

Im Vergleich zu ihrem Debütalbum ist das neue Album etwas dunkler. “In einer Zeit von Corona fängt man an, über viele Dinge nachzudenken.” “Und man wählt auch nicht bewusst aus, weniger leichtfüßig zu klingen. Man ist ein Fahrzeug, durch das alles hindurchgeht, was um einen herum passiert.” Gregor beschreibt den Entstehungsprozess in bemerkenswert gutem Niederländisch. “Die Welt hat sich verändert, wir sind jetzt auch fünf Jahre älter. Ich glaube, man kann beides nicht voneinander trennen. Aber das gilt nicht nur für uns als Künstler. Das gilt für viele Menschen. Deshalb möchten wir auch, dass sich andere mit unseren Songs identifizieren können.”

So verarbeitet The Day manchmal große globale Probleme in ihrer Musik, wie den Klimawandel. Indem sie die Gefühle und Gedanken einzelner Personen beschreiben, wird die Musik sehr persönlich, aber gleichzeitig auch universell. Ohne die Weltangelegenheiten konkret anzugreifen. Gregor: “Wir sehen Musik als etwas, in das wir uns selbst einbringen können. Und in dem man auch mal aus der Welt entkommen kann. Ein Ort, den man manchmal auch braucht. Ein Ort, der etwas schöner ist als die echte Welt. Wir werden auch nie eine politische Aussage über die ästhetische Aussage stellen. Wir wollen es universell machen, anstatt konkret und eindimensional.”

Escapismus? Laura: “Ja, definitiv. Wir nutzen unsere Musik auch selbst, um der realen Welt zu entfliehen. Und wir hoffen, dass der Zuhörer auch aus der Welt aussteigen und zu uns kommen kann.” Noch ein anderes Wort für Laura: Nostalgie. “Ja, ich bin ziemlich nostalgisch veranlagt. Ich bekomme warme Gefühle, wenn ich über Freundschaften, frühere Beziehungen, über Dinge, die passiert sind, schreibe. Coming-of-Age-Geschichten finde ich auch immer schön. Um das Wachsen anderer zu sehen, oder der Welt. Aber manchmal suche ich auch das Kind in mir. Das will ich auch nicht verlieren.” “Unsere Generation denkt viel darüber nach, wie es war, ein Kind zu sein. Und nutzt das in Kunst und Musik. Als man die Dinge etwas lockerer und freier betrachtete.” Dieser Aspekt findet sich auch im Titel “The Kids Are Alright” wieder, wenn auch nicht eindeutig. “Die Bedeutung, dass das Kind in uns in Ordnung ist, ist nur ein Aspekt. Aber es geht auch definitiv um die Zukunft, um die Kinder der Zukunft. Wohin gehen wir, was erwartet uns? Was werden wir jetzt tun, damit sie überhaupt eine Zukunft haben?” Gregor bestätigt, nicht zu sehr in die Vergangenheit zu schauen. “Aber an die Zukunft zu glauben.”

In der Presse wird The Day in der Regel als “Dream-Pop” bezeichnet. Aber damit tut man der Band eigentlich unrecht. Sicher, wenn man ihrer Musik doch ein Etikett geben muss, dann ist die Wahl von “Dream-Pop” die passendste. Aber ihre Musik ist so viel mehr als dieses Etikett. “Bei Dream-Pop finden wir gerade ‘Dream’ so schön, das darin steckt. Ein Freund von mir bedauert es, dass wir es nicht Rock nennen, weil er findet, dass die Gitarre eine große Rolle spielt…” “Oder Indie”, ergänzt Laura, “aber das ist auch sehr breit gefächert. Und wir haben auch ein bisschen Shoegaze drin… Aber ich betrachte es als Kompliment, dass du sagst, dass es viel mehr ist als nur Dream-Pop.” Und wenn wir schon Komplimente verteilen: Was wäre ein großes Kompliment in einer Rezension des Albums? Das erweist sich als schwierig, aber Gregor wagt es mit Bravour: “Wenn ein Hörer sagt: ‘Ihr habt einen Song geschrieben, der auch unsere Geschichte hätte sein können… aber wir hätten es selbst nicht so schön sagen können.'”

Alles in allem ist “The Kids Are Alright” in der Tat ein sehr schönes Album geworden, mit “mehr als nur Dream-Pop”. Das zeigt sich bereits in den ersten beiden Songs. “Diese Reihenfolge haben wir nicht ohne Grund gewählt. Laura hatte ein sehr klares Gefühl, mit ’98’ zu beginnen. Ein Song, der eine Seite von uns sehr gut beleuchtet: die introspektive Seite. Die nach innen schaut, ein bisschen nostalgisch ist, ein Coming-of-Age. Mit dem zweiten Song, ‘Nemesis’, hast du genau die andere Seite, die nach außen will. Mehr Tempo, ein Song-Song. Denn wir wollen immer, dass es lose Enden gibt, aber auch ein echter Popsong kann zu uns gehören.” “Es ist tatsächlich eine Kombination aus Melancholie und Nostalgie sowie der angesprochenen Problematik der Welt.” Ebenso ist “Empty” auch so ein Song-Song, aber er ruft auch das Thema des Albums hervor. Und in “Parasite” steckt viel unterschwellige Emotion, die viel persönlicher ist und auf anderen Ebenen berührt. Eine Schlussfolgerung über “den Musikstil von The Day” zu ziehen, ist schwierig, aber gleichzeitig auch sehr einfach, wie Lauras Bemerkung zeigt: “Ich finde es sehr schwierig, unseren Stil auf zwei oder drei Songs unseres Albums festzulegen. Jeder Song hat sein eigenes Charakteristikum.” Tatsächlich: The Day: Mehr als nur Dream-Pop.

Fotos (c) Sasha Ilushina

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