Übersicht über die Albumrezensionen: Saundra Williams, Oddisee und mehr

Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.

Foto (c) Jorge Fakhouri

Dirty Nice – Planet Weekend

Auf dem neuesten Album der britischen Indie-Pop-Band Dirty Nice fühlt man sich wie auf einem skurrilen Jahrmarkt. Das zeigt schon das Albumcover deutlich. Schaut man sich die Trackliste von “Planet Weekend” genauer an, findet man mehrere Interludes, die als Attraktionen bezeichnet sind. Eine witzige Idee für ein Konzeptalbum. Allerdings sind einige der Texte so absurd und gesanglich schwach umgesetzt, dass man sich fragt, was man da eigentlich hört. “If I Was Abducted By Aliens” klingt wie ein Kleinkind, das ununterbrochen Fragen stellt. Trotzdem ist es laut Spotify bisher der meistgestreamte Song des Albums. Es beginnt zu nerven, ebenso wie das Jingle auf “Merry-Go-Round Girl!”. Schön ist immerhin, dass alles, worüber gesungen wird, auch auf dem Albumcover zu sehen ist. Das ist wohl unterhaltsamer als die eigentliche Musik. Und das sagt eigentlich schon genug. (Rik Moors) (3/10) (Chiverin)

Various Artists – CaliAmericana, Vol. 3 (A Compilation Inspired by the Legacy of David Crosby)

Dieses Tribute-Album vereint eine Reihe äußerst talentierter Sängerinnen und Sänger, um das Vermächtnis von David Crosby zu ehren – und das gelingt hervorragend. Chris und John Beland eröffnen mit einer wunderschönen Version von “Eight Miles High”, die sofort den richtigen Ton trifft. Shawn Thies glänzt auf “Oh, Nightingale” und “Guinnevere”; ihre Stimme hat eine Wärme, die den Songs neues Leben einhaucht. Jonathan Firey liefert mit “Dangerous Night” und dem fesselnden “Dirty David” zwei starke Beiträge, die seine Vielseitigkeit zeigen. Auch Kathleen Sieck überzeugt – ihre Interpretation von “Lee Shores” ist reine Meditation, während “The Universe Knows You’re Mine” mitten ins Herz trifft. Glen Phillips bringt mit “Velvety Jesus” Energie ins Spiel und beschließt das Album perfekt mit “Music Is Love”. Was dieses Tribute-Album so besonders macht, ist der Respekt vor dem Original und gleichzeitig der Mut, die Lieder neu zu interpretieren. Die Produktion bleibt dabei stets intim und gefühlvoll. So sollte ein Tribute-Album sein. (Norman van den Wildenberg) (7/10) (Santa Barbara Records)

Saundra Williams – New Day

Saundra Williams ist eine dieser Sängerinnen, deren Namen man vielleicht nicht sofort kennt, die aber von vielen Musikliebhabern geschätzt wird. Natürlich verbindet man sie mit ihrer Rolle als Backgroundsängerin bei der unvergessenen Sharon Jones & The Dap-Kings, doch sie hat weit mehr zu bieten. In New York geboren und aufgewachsen, ausgebildet in Kirchen, Schulen und auf den Straßen der Stadt, zeigte sie ihr Talent bereits auf dem Duoalbum mit Kollegin Starr Duncan: “Saun & Starr”. Nun kehrt sie mit dem Soloalbum “New Day” zurück – und es ist ein wahres Fest. Die Liebe zur Musik sprüht aus jeder Note dieses Albums. Es klingt warm, ehrlich, authentisch und zutiefst menschlich. Williams hat die Stimme eines Engels, die einen in den Schlaf singen kann, aber auch genug Kraft gibt, den letzten Kilometer beim Joggen durchzuhalten. “RN” eröffnet mit dieser typischen stimmlichen Power und einem Groove, der niemanden stillstehen lässt. “For So Long” zeigt die kirchlich geprägte Ausbildung dieser bemerkenswerten Sängerin in voller Pracht, während man in “Bigger” den Geist von Sharon Jones spürt. “Happiness” ist eine wundervolle Zeitreise in die 80er Jahre, mit Synth-Pop, durchzogen von Soul, und einem tanzbaren Bass, der sofort verführt. Ein Album ohne Schwächen, jeder Track lädt zum Wiederhören ein. Eine Feier der Positivität und puren Musikalität, die Saundra Williams als Solokünstlerin endgültig etabliert. (Jan Vranken) (8/10) (Slow Fawn Music)

Ryan Truesdell – Shades of Sound (Live at Jazz Standard) Vol 2

Gil Evans, der kanadische Pianist und Komponist, ist ein Name, den man nur mit Ehrfurcht aussprechen kann. Nicht nur wegen seiner Zusammenarbeit mit Miles Davis, sondern auch, weil er die Bigband-Musik neu erfunden und sogar die Zusammenarbeit mit Jimi Hendrix gesucht hat. Jazz musste sich immer wieder neu erfinden – Evans war ein wahrer Pionier. In seiner reich orchestrierten Klangwelt schuf er wie kein anderer Raum für Solisten und Improvisation: Die Arrangements unterstützten den Solisten. Arrangeur und Bandleader Ryan Truesdell zollt dem Mann Tribut in seinem “Gil Evans Project” und wählte dafür ein Live-Format. Der zweite Teil dieses Projekts beginnt mit “Spoonful”, einem klassischen Blues, aber mit Saxophon- und Trompeten-Soli voller Energie. Und das sind nur die ersten fünf Minuten. Diese Energie kehrt in mehreren Stücken wieder, etwa in “Laughing at Life” mit swingendem Gesang von Wendy Giles. Zurückhaltender wird das Orchester in “The Ballad of the Sad Young Men”, einst wunderschön von Roberta Flack interpretiert. Hier trägt die Trompete die Melodie mit viel Gefühl. Zurückhaltend spielen, ohne die Dynamik zu verlieren – das ist Truesdells Kunst: Er führt mit ruhiger Hand und lässt den unvergleichlichen Evans durchscheinen. Höhepunkte sind “Barbara Song” aus Brechts Dreigroschenoper, hier als Ballade interpretiert, und “Buster’s Last Stand”, mit dem das Orchester schwungvoll im besten Bigband-Stil abschließt: farbenfroh und mit viel Raum für Improvisation. Ein gelungenes Tribut. (Jeroen Mulder) (8/10) (Outside In Music)

Oddisee – En Route

Mit seiner neuen EP “En Route” beweist Oddisee erneut, warum er zu den unterschätztesten Talenten im aktuellen Hip-Hop gehört. Die vier Tracks dieser EP sind eine soulige Momentaufnahme von Bewegung und Bedeutung, jeder Song reflektiert eine andere Art von Bewegung – körperlich, emotional, spirituell. “Tomorrow Can’t Be Borrowed” eröffnet mit einem mitreißenden Piano-Riff, das sofort den typischen Oddisee-Sound etabliert. Sein Flow ist wie immer mühelos und nuanciert – technisch präzise, dabei emotional tiefgründig. Die Produktion ist ebenso raffiniert wie geschmackvoll, mit jazzigen Untertönen, die seine sudanesischen und afroamerikanischen Wurzeln würdigen. “A Rare Thing” verkörpert genau das, was Oddisee so besonders macht: Die Fähigkeit, den Geist des Soul der 60er Jahre einzufangen und gleichzeitig ganz im Hier und Jetzt zu sein. Der Song fühlt sich an wie ein vertrauter Freund, der neue Geschichten zu erzählen hat. Mit nur elf Minuten Spielzeit ist “En Route” eine reife Demonstration von Oddisees künstlerischem Können. Musik für die Reise – wohin auch immer sie führt – und dieses Gefühl von Bewegung und Fortschritt zieht sich durch jede Sekunde der EP. Oddisee mag im internationalen Hip-Hop eine Außenseiterrolle einnehmen, doch er bleibt einer der ganz Großen unserer Zeit. “En Route” ist eine schöne Erinnerung daran, warum seine Stimme so wichtig ist. (Elodie Renard) (8/10) (Mello Music Group)

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