Perlen der Popmusik: Die Geschichte hinter Fat Larry’s Band – “Zoom”
Im Herbst 1982 geschah etwas Bemerkenswertes in den britischen Charts. Während Bands wie Duran Duran und Soft Cell mit ihren Synthesizerklängen dominierten, erreichte eine Funknummer einer relativ unbekannten amerikanischen Band den zweiten Platz. “Zoom” von Fat Larry’s Band erreichte nie Platz eins, hinterließ jedoch einen bleibenden Eindruck, der auch Jahrzehnte später noch spürbar ist. Der Song erreichte nie die höchsten Positionen in der Heimat der Band, eroberte jedoch die Herzen der Zuhörer jenseits des Atlantiks, wo er zu einer Hymne für eine ganze Generation wurde.
Die Geschichte von “Zoom” ist eine Geschichte des Kontrasts: eine Band, die im eigenen Land kaum erkannt wurde, aber in Europa einen Status erlangte, den wenige vorhergesehen hatten. Die Single blieb elf Wochen in den britischen Charts, erreichte in Australien Platz zehn, wo sie 24 Wochen gelistet war, und erreichte ebenfalls die Top Ten in Neuseeland. In den Vereinigten Staaten hingegen erreichte der Titel nur Platz 89 in den R&B-Charts und schaffte es nicht einmal in die Billboard Hot 100. Diese Diskrepanz zwischen internationalem Erfolg und Heimatmarkt sollte charakteristisch für die Karriere der Band werden.
Fat Larry’s Band
Die Geschichte von Fat Larry’s Band beginnt in Philadelphia, der Geburtsstätte des Philly Soul. 1976 gründete der Schlagzeuger und Sänger Larry James, bekannt unter dem Spitznamen ‘Fat’ Larry, die Band. James war zu diesem Zeitpunkt in der Musikwelt nicht unbekannt. Er hatte bereits Erfahrung als Studiomusiker für renommierte Acts wie The Delfonics und Blue Magic gesammelt, zwei Gruppen, die für die Entwicklung des charakteristischen Philadelphia-Sounds entscheidend waren.
Die Besetzung von Fat Larry’s Band war in Größe und Vielseitigkeit beeindruckend. Zu den Mitgliedern gehörten der Trompeter und Flötist Art Capehart, die Gitarristen Ted Cohen und Tony Middleton, die Sänger Freddie Campbell und Darryl Grant, der Keyboarder Terry Price, der Sänger Alfonso Smith, der Saxophonist Doug Jones, der Bassist Larry La Bes, der Posaunist und Altsaxophonist Jimmy Lee sowie der Keyboarder Erskine Williams. Diese umfangreiche Besetzung ermöglichte es der Band, einen voluminösen, orchestralen Sound zu erzeugen, der eng mit der traditionellen Philly Soul-Ästhetik übereinstimmte, während gleichzeitig Raum für die Funkgrooves der frühen achtziger Jahre geschaffen wurde.
Philadelphia war zu dieser Zeit ein musikalisches Kraftzentrum. Die Stadt hatte einen einzigartigen Sound mit Produzenten wie Kenny Gamble und Leon Huff definiert, der durch üppige Streicharrangements, prominente Bläsersektionen und einen unverwechselbaren Groove gekennzeichnet war. Fat Larry’s Band wuchs in dieser Tradition auf, passte sich aber auch den wechselnden Zeiten an. Während der Philly Soul der frühen siebziger Jahre noch stark auf analoge Produktionstechniken und Live-Instrumentierung setzte, erlebten die achtziger Jahre den Aufstieg von Synthesizern und Drumcomputern. Die Band balancierte geschickt zwischen diesen beiden Welten.
Die ersten Jahre waren für Fat Larry’s Band nicht einfach. Sie veröffentlichten mehrere Alben bei verschiedenen Labels, darunter WMOT Records und Stax, aber größere kommerzielle Durchbrüche blieben aus. Ihre Musik wurde innerhalb der R&B-Community geschätzt, aber der Übergang zum Mainstream-Publikum gelang einfach nicht. Das sollte sich mit ihrem fünften Studioalbum ändern, einem Werk, das den Verlauf ihrer Karriere drastisch verändern würde.
Zoom
“Zoom”, eine Coverversion eines Singles der Commodores, wurde 1982 als vierte Single des Albums “Breakin’ Out” veröffentlicht. Der Song war keine offensichtliche Wahl für einen Hit. Die Produktion war im Vergleich zum bombastischen Stadion-Rock, der die Charts dominierte, relativ bescheiden, und die Texte drehten sich um ein so altes Thema der Popmusik wie die romantische Anziehung und das Verlangen nach kurzen Abenteuern.
Was “Zoom” jedoch auszeichnete, war die Art und Weise, wie verschiedene Elemente zusammengeführt wurden. Die Rhythmussektion legte einen straffen, tanzbaren Groove, der sofort ansprach. Die Bläserparts fügten eine selbstbewusste, kraftvolle Ebene hinzu, während Freddie Campbells Gesang das perfekte Gleichgewicht zwischen sanft und ausdrucksvoll fand. Der Song hatte eine ansteckende Energie, die die Menschen auf die Tanzfläche zog, war aber auch melodisch genug, um Radiosender zu erreichen, die normalerweise keinen reinen Funk spielten.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war entscheidend. 1982 befand sich die Popmusik in einer Übergangsphase. Die Disco-Explosion der späten siebziger Jahre war vorbei, aber die Tanzflächenkultur blieb erhalten. Boogie und Post-Disco-Funk füllten die Lücke, mit Künstlern wie Shalamar, Evelyn “Champagne” King und The Whispers, die die Charts mit ansteckenden Grooves dominierten. “Zoom” passte perfekt in dieses Landschaftsbild und bot gleichzeitig etwas Einzigartiges.
In Großbritannien fand der Song besonders fruchtbaren Boden. Die Single erreichte im Oktober 1982 Platz zwei der UK Singles Chart und blieb nicht weniger als elf Wochen in den Charts. Der Erfolg war so groß, dass der Song in die beliebte britische Sitcom “Only Fools and Horses” aufgenommen wurde, speziell in die Weihnachtsspecial-Folge 1982 mit dem Titel “Diamonds Are for Heather”. Diese Präsenz verstärkte die Popularität des Songs weiter und trug zu seinem bleibenden Erbe in der britischen Popkultur bei.
Das Musikvideo zu “Zoom” folgte den Konventionen der frühen achtziger Jahre. Die Band wurde während einer energiegeladenen Performance gefilmt, unterbrochen von Tanzszenen und Bildern von Autos, die das Thema Geschwindigkeit und Bewegung illustrierten. Das Video wurde in Programmen wie Top of the Pops gezeigt und half, den Song visuell im kollektiven Gedächtnis der Zuschauer zu verankern.
In Australien und Neuseeland erfreute sich der Song ebenfalls großer Beliebtheit. In Australien erreichte “Zoom” Platz zehn und war 24 Wochen gelistet, eine beeindruckende Leistung, die die anhaltende Attraktivität des Songs unter Beweis stellte. In Neuseeland stieg er auf Platz vier, wo er eine Woche verweilte und insgesamt 14 Wochen in den Charts blieb.
Der Kontrast zum Heimatland blieb schmerzhaft deutlich. Obwohl “Zoom” dort einige Radioausstrahlungen erhielt, erreichte es nur Platz 89 der R&B-Charts und konnte nicht in die allgemeinen Charts einbrechen. Diese Diskrepanz war symptomatisch für die Lage vieler Funkkünstler Anfang der achtziger Jahre. Der amerikanische Markt war geteilt und unberechenbar, während europäische Zuhörer oft einem breiteren Spektrum schwarzer Musik gegenüber aufgeschlossen waren.
Regine Velasquez
Die philippinische Sängerin Regine Velasquez nahm eine Coverversion von “Zoom” für ihr Album “Retro” auf, das 1996 veröffentlicht wurde. Velasquez, bekannt als ‘Asia’s Songbird’, gehörte zu den erfolgreichsten Künstlerinnen in Südostasien, mit mehr als sieben Millionen verkauften Alben auf den Philippinen und anderthalb Millionen im Rest Asiens.
Das Album “Retro” war eine Sammlung neuer Arrangements von Songs der 70er und 80er Jahre. Neben “Zoom” enthielt es Coverversionen von Songs wie “I Can’t Help It” von Andy Gibb, “Through the Eyes of Love” von Melissa Manchester und “I Want to Know What Love Is” von Foreigner. Die Wahl von “Zoom” unterstrich die internationale Reichweite des Originals und bewies, dass der Song weit über die westlichen Märkte hinaus Wirkung hatte.
Velasquez’ Version behielt die Essenz des Originals bei, fügte jedoch ihre charakteristische stimmliche Kraft hinzu. Während Fat Larry’s Band eine kollektive Energie ausstrahlte, rückte Velasquez’ Interpretation die individuelle stimmliche Virtuosität in den Vordergrund. Das Ergebnis war eine Version, die respektvoll gegenüber dem Original war, aber dennoch ihre eigene Identität besass.
Eine weitere bemerkenswerte Coverversion kam aus einem völlig anderen Winkel. Die britische Alternative-Rock-Band The Boo Radleys nahm den Song während der Aufnahmesessions für ihr Album “Giant Steps” im Jahr 1993 auf. Die Boo Radleys waren für ihren eklektischen Ansatz zu Shoegaze und Psychedelic bekannt, und ihre Version von “Zoom” erschien als B-Seite des Singles “Barney (…And Me)”.
Dieses Cover war weniger zugänglich als das Original. Die Boo Radleys verwandelten die Funknummer in eine Schicht aus Gitarrenfeedback und geschichteten Sounds, eine typische Behandlung für eine Band, die Experimentierfreude über kommerzielle Überlegungen stellte. Es war eine eigenartige Wahl für ein Cover, aber sie zeigte, wie vielseitig das Grundmaterial war und wie es sich für unterschiedliche Interpretationen eignete.
Breakin’ Out
“Zoom” war nicht das einzige Highlight des Albums “Breakin’ Out”. Das Album, produziert von Larry James und Nick Martinelli für James Gang Productions und Watchout Productions, wurde in den Alpha International Recording Studios in Philadelphia aufgenommen. Es stellte einen bewussten Versuch der Band dar, einen zugänglicheren Sound zu schaffen, der ein breiteres Publikum erreichen konnte.
Der eröffnende Song “Act Like You Know” wurde die erste Single des Albums und erreichte in den Vereinigten Staaten eine respektable Position, Platz 67 der R&B-Charts und Platz 24 der Dance-Charts. Der Song sollte später ein zweites Leben als Teil des Soundtracks des Videospiels “Grand Theft Auto: Vice City” haben, durch das eine neue Generation mit der Musik von Fat Larry’s Band vertraut wurde.
Weitere Tracks des Albums, wie “Traffic Stopper”, “House Party” und “Be My Lady”, boten Variation innerhalb des Funk- und Boogie-Genres. “Golden Moments” verlangsamte das Tempo und bot eine soulige Ballade, die die vokalen Fähigkeiten der Band unter Beweis stellte. “Breakin’ Out”, der Titelsong, war ein ausgedehntes instrumentales Stück, das die musikalischen Fertigkeiten der Bandmitglieder demonstrierte.
Das Album erreichte Platz 58 der britischen Albumcharts, eine respektable Leistung, die bewies, dass die Band in Großbritannien stärker verankert war als in ihrem eigenen Land. In den Vereinigten Staaten blieb der kommerzielle Erfolg jedoch begrenzt, ein Muster, das sich durch die gesamte Karriere der Band ziehen sollte.
Die Produktion von “Breakin’ Out” spiegelte den Geist der frühen achtziger Jahre wider. Es gab Raum für Synthesizer, aber der Schwerpunkt lag weiterhin auf Live-Instrumentierung. Die Streicherarrangements von Don Renaldo’s Strings and Horns fügte eine üppige Schicht hinzu, die an den klassischen Philly Soul-Sound erinnerte, während die Keyboards und Synthesizer von Bryan Hudson einen modernen Touch gaben.
Ein tragisches Ende
Der Erfolg von “Zoom” und “Breakin’ Out” führte zu Nachfolgealben, doch die Magie konnte nicht vollständig wiederholt werden. 1983 erschien das Album “Straight From The Heart” auf dem Label Society Hill Records, vertrieben von EMG. Es enthielt die Single “Straight From The Heart”, die Platz 88 der britischen Charts erreichte, deren Wirkung jedoch geringer war als bei früheren Veröffentlichungen.
Die Band tourte weiterhin, hatte aber mit dem sich wandelnden Musikmarkt zu kämpfen. Die Mitte der 80er Jahre brachte eine neue Welle elektronischer Musik, und traditionelle Funkbands hatten zunehmend Schwierigkeiten, relevant zu bleiben. Dennoch behielt Fat Larry’s Band eine treue Anhängerschaft, besonders in Europa, wo ihre Konzerte gut besucht blieben.
Das tragische Ende kam am 5. Dezember 1987, als Larry James im Alter von 38 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Sein Tod bedeutete das Ende der Band. Ohne den Gründer und treibenden Motor der Gruppe war ein Fortbestehen undenkbar. Freddie Campbell, einer der Sänger, starb später 2013, ein weiteres wichtiges Mitglied der ursprünglichen Besetzung.
Für diejenigen, die ins Jahr 1982 zurückkehren, zu jener spezifischen Mischung aus Funk, Soul und Boogie, die die Tanzflächen dominierte, bevor Hip-Hop und House die Welt eroberten, bleibt “Zoom” ein perfektes Abbild. Der Song fängt die Energie und den Optimismus eines Genres auf seinem Höhepunkt ein, gespielt von Musikern, die ihr Handwerk verstanden und einen Groove hinlegen konnten, der die Menschen auch Jahrzehnte später noch bewegt. Fat Larry’s Band machte Musik, die auf der Tanzfläche funktionierte, aber auch eine emotionale Ladung hatte. In “Zoom” vereint sich dies zu etwas Größerem als die Summe seiner Teile: ein Song, der bewegt und gleichzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Das ist keine geringe Leistung und erklärt, warum der Song trotz aller Beschränkungen seiner Zeit und seines Kontexts ein bleibendes Juwel der Popmusik geblieben ist.

