Alison Moyet im Huxley’s: Vier Jahrzehnte Musikgeschichte
|
Bunte Lichtspots tauchten das Huxley’s Neue Welt in warmes Licht, während draußen der Berliner Frühlingsabend langsam in die Dämmerung überging. Die Luft im Saal vibrierte förmlich vor Erwartung. Als Alison Moyet endlich die Bühne betrat, brandete Applaus auf – hier stand eine Frau, die viele von uns seit Jahrzehnten begleitet hat. Mit einem bescheidenen Lächeln nahm sie die Zuneigung entgegen. “Vierzig Jahre”, flüsterte jemand neben mir ungläubig. Ja, vier Jahrzehnte Musik hat sie uns geschenkt, und an diesem Montagabend packte sie ihren Schatz für uns aus: die alten Lieder, die wir mitsingen konnten, aber auch neue Stücke von “Key”, ihrem jüngsten Album. Wir würden sowohl in Erinnerungen schwelgen als auch Neuland entdecken – und waren bereit, uns von ihr an die Hand nehmen zu lassen.
Moyet eröffnete den Abend kraftvoll mit “Fire” vom Album “The Turn” (2007), gefolgt von “More”, und stellte kurz darauf ihr neues Stück “Such Small Ale” vor. Von den ersten Tönen an wurde deutlich, dass ihre charakteristische, samtige Contralto-Stimme über die Jahre nichts von ihrer Kraft oder ihrem unverwechselbaren Charakter eingebüßt hat. Das ausverkaufte Berliner Publikum war sofort in ihren Bann gezogen.
An ihrer Seite standen Brendan Cox und Sean McGhee – zwei Musiker, die viel mehr als nur Begleiter waren. Während Cox mal zarte, mal energische Gitarrenriffs beisteuerte, zauberte McGhee am Keyboard atmosphärische Klanglandschaften. Beide unterstützten Moyet mit feinfühligem Hintergrundgesang, der sich perfekt in das Gesamtbild einfügte. In der ersten Stunde nahm uns Alison mit auf eine Entdeckungsreise zu den verborgenen Schätzen ihrer Karriere – Songs, die vielleicht nicht jeder kannte, aber die trotzdem tief berührten. Als dann plötzlich die ersten Noten von “Nobody’s Diary” erklangen, leuchteten die Augen der langjährigen Fans auf. Man sah, wie sie sich anstupsten und wissend zulächelten, während die Erinnerungen an die frühen Yazoo-Tage lebendig wurden.
Zwischen den Liedern nahm sich die 63-jährige Künstlerin immer wieder Zeit, mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Mit Charme und britischem Humor teilte sie persönliche Anekdoten und Hintergrundgeschichten zu ihren Songs, besonders eindrucksvoll bei der Vorstellung von “The Impervious Me”. Diese intimen Momente verliehen dem Konzert eine besondere Wärme, trotz der Größe des Veranstaltungsortes.
Als die ersten, vertrauten Töne von “Only You” erklangen, ging ein aufgeregtes Raunen durch den Saal. Man konnte förmlich spüren, wie viele Erinnerungen dieser Song bei den Anwesenden weckte. Moyet nahm sich Zeit für jede Silbe, jede Gefühlsnuance. Ihre Stimme schwebte mühelos über dem zurückhaltenden Arrangement – mal sanft wie ein Flüstern, dann wieder kraftvoll und ergreifend. Als der letzte Ton verklungen war, brauchte das Publikum einen Moment, bevor der Bann brach und tosender Applaus losbrach. Manch einer wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. In diesem Moment wurde jedem klar, warum dieser Song seit über vierzig Jahren die Herzen berührt und niemals seine Magie verlieren wird.
Auch nachdenklichere Stücke wie “This House” und “Changeling” zeigten Moyets Vielseitigkeit als Interpretin. Ihre Darbietung von Jules Shears “Whispering Your Name” fühlte sich so authentisch an, als hätte sie den Song selbst geschrieben.
Die Zugabe war ein wahres Fest der Erinnerung mit den Hit-Singles “Situation”, “Love Resurrection” und als krönenden Abschluss “Don’t Go”, die das Publikum von den Sitzen riss. Selbst kleinere technische Pannen – ein kurzzeitig ausgefallener Sender und ein versehentlicher Schluck Wasser zur falschen Zeit – meisterte Moyet mit professioneller Gelassenheit und einer Prise Humor.
Als die letzten Töne von “Don’t Go” verklangen und das Publikum begeistert applaudierte, ging ein besonderer Abend zu Ende. Eineinhalb Stunden lang hatte uns Alison Moyet mit auf eine Reise durch vier Jahrzehnte ihres Schaffens genommen – und dabei weit mehr geboten als einen Trip in die Vergangenheit. Die Art, wie sie ihre alten Hits in neuem Gewand präsentierte und mit frischen Kompositionen mischte, zeigte uns eine Künstlerin, die nicht in Erinnerungen schwelgt, sondern immer noch voller Ideen steckt. Mit jedem Ton bewies sie dem Berliner Publikum: Ihre kreative Kraft ist ungebrochen. Wir erlebten keine Künstlerin, die von vergangenen Erfolgen zehrt, sondern eine Moyet in Bestform, deren warme, samtige Stimme uns auch heute noch unter die Haut geht – genauso wie unseren Eltern damals in den Achtzigern.