Meister des Sounds: Alan Parsons über das digitale Zeitalter
|In einem ruhigen Hotel, fernab der Hektik der Musikindustrie, teilt Alan Parsons gegrillte Garnelen mit seiner Frau. Es ist ein gewöhnlicher Dienstagnachmittag; kein Aufhebens, kein Rockstar-Gehabe, nur ein Mann, der einen ruhigen Moment genießt. „Setz dich, nimm dir ein paar Garnelen”, sagt er mit einem Lächeln. Diese spontane Gastfreundschaft gibt sofort den Ton vor. Das wird kein Standard-Interview über Hits und Höhepunkte. Das wird ein Gespräch über Handwerk.
Parsons, der Mann hinter dem Sound von „The Dark Side of the Moon” und „Abbey Road”, hat die Musikgeschichte aus nächster Nähe miterlebt. Aber er verklärt diese Zeit nicht. „Die Techniker in Abbey Road waren immer zufriedener, wenn wir uns an feste Zeiten hielten”, erinnert er sich. „Von zehn bis eins, dann Mittagspause, dann weiter von zwei bis fünf, und danach Abendbrotpause.” Doch die Realität war anders. „Man erkennt, dass kreative Menschen nicht unbedingt nach einem festen Zeitplan arbeiten können. Die Techniker und Produzenten gingen dann auch mit dem Fluss. Wir sagten einfach: Wir machen das gut, warum sollten wir aufhören, nur weil Pause ist?”
Diese Herangehensweise, Qualität vor Uhr, prägte seine Generation. Alben wurden geschmiedet, nicht zusammengefügt. „Ich habe immer mit einem Fluss in der Musik aufgenommen”, erklärt Parsons. „Den verliert man, wenn Songs einzeln auf Spotify gehört und einzeln gemacht werden.” Seine Neugierde auf Technik bleibt ungebrochen. Bei „The Secret” experimentierte er mit der Schumann-Frequenz, 7,83 Hertz, angeblich die Resonanzfrequenz des Universums. „Wir haben gute Kontakte bei der NASA und der ESO”, sagt er begeistert. „Es ist sehr schwer zu reproduzieren. Man kann es nicht einfach aufnehmen.” Diese technische Herausforderung passt zu seiner Philosophie. Er zitiert Arthur C. Clarke: „Hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.” Für Parsons ist das kein leerer Spruch, sondern eine Arbeitsweise, die fünf Jahrzehnte andauert.
Aber dann wird sein Ton dunkler. Der aktuelle Zustand der Musikindustrie frustriert ihn zutiefst. „Das Problem ist, dass Verbraucher erwarten, dass Musik kostenlos ist, fast kostenlos. Jeder abgespielte Stream bringt dem Künstler 0,00001 Cent.” Diese Zahlen lügen nicht. „Ein etablierter Künstler verkaufte früher eine Million Exemplare, ich bin schon glücklich, wenn ich jetzt 50.000 Exemplare eines Albums weltweit verkaufe.” Er verweist auf Peter Frampton, der etwa sieben Dollar mit Millionen von Spotify-Streams verdiente. „Wunderbar, nicht wahr?”, sagt er mit einem Lächeln.
Diese wirtschaftliche Realität trifft den Kern seiner Frustration. „So kann es nicht weitergehen. Solange Musik Geld kostet und Künstler überleben müssen, werden Menschen keine Musik aufnehmen, wenn sie nicht bezahlt werden.” Was Parsons am meisten stört, ist die Playlist-Kultur. „Es ist deprimierend, wenn man als Teil einer Playlist betrachtet wird. Ein Song von dir, dann einer von jemand anderem, dann wieder ein anderer.”
Das geht tiefer als Nostalgie. Das Album als musikalische Kunstform, die sorgfältig konstruierte Reise von Track zu Track, steht unter Druck. Für einen Handwerker wie Parsons, der Monate für die perfekte Balance zwischen Songs aufwendet, fühlt sich das wie künstlerischer Vandalismus an. „Ich habe immer so aufgenommen, dass es einen Fluss in der Musik gibt”, betont er erneut. Dieser Fluss, diese sorgfältige Konstruktion, die Art, wie ein Song den nächsten einführt, all das erfordert Zeit, Geduld und ja, Geld.
Seine Leidenschaft für Perfektion zeigt sich in unerwarteten Ecken. Parsons sammelt Zaubertricks und hat „eine riesige Sammlung von Tricks und Büchern zu Hause, von denen viele ungelesen sind.” Nach seinen Fähigkeiten gefragt, grinst er: „Ich arbeite daran. Eine Euro-Münze, kannst du zwei daraus machen? Ja, aber nicht sofort.” Diese Präzision, die Hingabe an die Kunst, auch als Hobby, charakterisiert seinen gesamten Ansatz. Musik machen ist mehr als Songs zusammenzufügen. Es ist ein Handwerk, das Zeit und Respekt verlangt.
Nach fast zwanzig Jahren in Amerika hat der Engländer Parsons seinen Rhythmus gefunden. Von seinem eigenen Studio aus arbeitend, umgibt er sich mit vertrauten Mitarbeitern. „Es ist jetzt fast ein Familienunternehmen”, sagt er. Diese familiäre Herangehensweise passt zu seiner Philosophie. Qualität entsteht nicht aus Eile oder Druck, sondern aus Vertrauen, Zeit und dem Raum zum Experimentieren. Die Avocados in seinem Garten dienen als Metapher: „Wir schauen einfach zu, wie es geschieht.”
Trotz aller Frustrationen bleibt Parsons optimistisch. Die Wiederbelebung von Vinyl gibt ihm Hoffnung. „Wenn Vinyl weiterhin Aufmerksamkeit bekommt, sagen die Leute vielleicht: Ich mag es, greifbare Produkte in der Hand zu halten. Dann lege ich ein Album auf und spiele die ganze Platte ab.” Er erkennt seine Fehltritte an, ein gescheitertes Experiment mit elektronischer Tanzmusik (das letzte Alan Parsons Project-Album „The Sicilian Defense”), aber ohne Bedauern. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe, froh, dass ich meine große Leidenschaft im Leben anerkannt habe.”
Während unser Gespräch durch Telefonanrufe über Tour-Logistik unterbrochen wird, wird der Kern von Parsons’ Botschaft klar. In einer Ära von Algorithmen und Playlist-Kultur hält er an einem einfachen Prinzip fest: Qualität erfordert Zeit, Hingabe und Respekt für das Handwerk. „Es gibt nichts, was ich noch nicht gesagt habe”, reflektiert er. Es ist die Ruhe von jemandem, der mehrere Revolutionen in der Musik miterlebt hat und mit intakter Integrität daraus hervorgegangen ist.
Das Geheimnis, nicht nur der Titel seines Albums, sondern sein Lebensmotto, ist vielleicht dies: Wahre Qualität entsteht nicht in Eile. Sie wächst, wie die Avocados in seinem Garten, wenn man sich die Zeit nimmt, es richtig zu machen.