Graham Nash – Live – Songs For Beginners / Wild Tales

Jeder findet immer etwas anderes zum meckern. Wenn Trump endlich als Präsident fertig ist, scheint es Biden nach Ansicht vieler nicht besser zu gehen. Wenn wir die Pandemie gerade erst beendet zu haben scheinen, bricht irgendwo hier in Europa Krieg aus. Spaltung und Elend scheinen auf unserem Globus wie verrückt zu wachsen. Inmitten dieses „Military Madness“ ist Graham Nash aufgerufen, uns mit seinen „Songs For Beginners / Wild Tales“ noch einmal aufzuwecken und zu erziehen.

Graham Nash, es wird nur sehr wenige Menschen geben, die noch nie von diesem selbsternannten „einfachen Mann“ gehört haben. Er machte sich in den 1960er Jahren mit The Hollies einen Namen, bildete aber aufgrund kreativer Differenzen bald eine neue Clique mit David Crosby, Stephen Stills und später Neil Young, mit der er für den Rest seiner Karriere verbunden sein sollte. Nachdem Nashs Beziehung zu Joni Mitchell in die Brüche gegangen war, beschloss er, es mit einem Soloalbum zu versuchen. Daraus wurden „Songs For Beginners“. Nachdem er mehrere Jahre lang über seine gescheiterten Eskapaden mit Mitchell und Rita Coolidge nachgedacht hatte, bekam seine Solokarriere mit „Wild Tales“ eine etwas düsterere Fortsetzung.

Obwohl beide Alben nie den Erfolg erreichten, den Nash mit seinen Kumpels einfahren konnte, sind beide Alben zu zwei hauptsächlich introspektiven Juwelen geworden. Obwohl sich die Alben thematisch hauptsächlich um die Seelen von Nash selbst drehen, geben die Alben einen schönen Einblick in den damaligen Zeitgeist. Es sind Alben mit oft bittersüßem, warmem Softrock, mit einem zynischen, verzweifelten oder kämpferischen Protestsong dazwischen hier und da. Ein Album, das es schafft, sowohl als Pflaster für emotionale Wunden als auch als Weckruf (oder eher als „Sehen?“) für den Wahnsinn zu dienen, in dem wir leben.

Musikalisch ist dieses Live-Album grundsolide. So mancher Song wurde von Nash zu Tode gespielt, doch Routine scheint es nicht zu geben. Gerade weil die Songs Nash am Herzen liegen, klingen die Songs immer noch genauso inspiriert wie bei ihrer Veröffentlichung. Obwohl die Melancholie und die Düsternis immer noch vorhanden sind, hören wir hier einen älteren und weiseren Nash, der mit seiner Vergangenheit im Reinen ist.

Gesanglich hat sich Nash ebenfalls keine Mühe gegeben, der beste Mann klingt vielleicht etwas tiefer, aber immer noch genauso klar. Dazu klingen die Arrangements satt, sie fühlen sich an wie ein lauer Sommerabend, an dem die Dämmerung gerade untergeht und die Sonne langsam untergeht. Genau die Abende, an denen ein Konzert von Graham Nash besonders gut zur Geltung kommt.

Die Welt ist ein seltsamer Ort. Die Welt hat es immer gegeben und die Welt wird es immer geben. Ein Ort voller Spaltung und Elend. Aber wenn wir alle unsere Kleider auf einer wunderschönen Wiese ausstellen und gemeinsam dieses lebendige Juwel von Mr. Nash genießen, dann könnte die Welt für einen Moment … nur für eine Weile … doch ein schöner Ort sein. (8/10) (Clean Records)

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