Avishai Cohen – Brightland
|Im ständig wandelnden Feld des zeitgenössischen Jazz gibt es nur wenige Musiker, die kulturelle Kreuzbestäubungen so raffiniert orchestrieren wie Avishai Cohen. Nach seiner lateinamerikanisch inspirierten Zusammenarbeit mit Abraham Rodriguez Jr. auf „Iroko“ schlägt der israelische Bassvirtuose nun mit „Brightland“ eine überraschend neue Richtung ein – ein Album, das die Wärme Tel Avivs mit der kristallklaren Ästhetik der angesagten Göteborger Jazzszene verwebt.
Im Mittelpunkt von „Brightland“ steht Cohens außergewöhnliches Trio, bestehend aus dem brillanten Pianisten Guy Moskovich und der dynamischen Roni Kaspi am Schlagzeug. Dieses Ensemble zeigt eine beeindruckende Vielseitigkeit, indem es sich von subtilen Interpretationen klassischer Werke bis hin zu mitreißenden Eigenkompositionen bewegt. Moskovichs Arrangement von Liszts „Liebestraum Nr. 3“ sticht besonders hervor – eine geniale Neuinterpretation, die das romantische Meisterwerk durch eine moderne Jazzlinse betrachtet, ohne sein emotionales Fundament zu verfälschen.
Kaspis Präsenz am Schlagzeug verdient besondere Aufmerksamkeit. Ihre moderne rhythmische Herangehensweise bringt eine erfrischende Perspektive in Cohens Kompositionen, indem sie zeitgenössische Beats nahtlos mit traditionellen Jazzelementen verbindet. Im Stück „Roni’s Swing“ – zweifellos eine Hommage an sie – zeigt sie eine bemerkenswerte Fähigkeit, Generationenlücken zu überbrücken.
Die beiden Aufnahmeorte – Tel Avivs Kicha Studios und Göteburgs Nilento Studio – sind mehr als nur eine technische Randnotiz. Unter der Co-Produktion des schwedischen Produzenten Lars Nilsson erreicht die Aufnahme eine besondere Synthese musikalischer Ansätze. Die räumlich atmende, oft kontemplative Natur der skandinavischen, sich stets erneuernden Jazztradition findet eine natürliche Synergie mit Cohens mediterraner Intensität. Dies ist nicht Cohens erste Erfahrung mit Nilento; auch sein Trio-Album „Gently Disturbed“ aus dem Jahr 2008 wurde dort aufgenommen. Stücke wie „Chutzpan“ von diesem Album erscheinen nun fast wie Skizzen für den verfeinerten Sound, den wir auf „Brightland“ hören.
Cohens Originalkompositionen auf diesem Album offenbaren einen Komponisten auf dem Höhepunkt seines Könnens. „The Ever and Ever Evolving Etude“ demonstriert sein wachsendes Interesse an erweiterten Formen, während „Drabkin“ seine Fähigkeit zeigt, fesselnde narrative Bögen im Jazz-Idiom zu schaffen. Der Wechsel zwischen diesen Originals und Neuinterpretationen von Standards wie „Summertime“ und „Polka Dots and Moonbeams“ ergibt eine durchdachte und ausgewogene Tracklist.
Besondere Beachtung verdient Cohens Interpretation von „Summertime“. Während George Gershwin vor hundert Jahren die Brücke zwischen Klassik und Jazz schlug, indem er die afroamerikanische Gospeltradition integrierte, bewegt sich Cohen jetzt erneut an der Schnittstelle von Jazz und Klassik, ohne sich von Genregrenzen einschränken zu lassen. Diese künstlerische Freiheit teilt er mit Produzent Nilsson, dessen Arbeit mit freien Geistern wie Dhafer Youssef ähnliche grenzüberschreitende Qualitäten aufweist.
Der Album-Opener „Courage“ fasst die Essenz des Albums perfekt zusammen: pulsierende Jazzenergie, vorangetrieben von Kaspis Schlagzeug und Moskovichs feiner Spielweise, zusammengehalten von Cohens intellektueller und musikalischer Vision. Es ist ein Track, der den Hörer sofort in Cohens musikalisches Universum eintauchen lässt.
„Brightland“ stellt nicht nur eine Weiterentwicklung in Cohens künstlerischem Schaffen dar, sondern ist auch ein Leuchtfeuer der Möglichkeiten in der zeitgenössischen Jazzlandschaft. Es ist ein Album, das mehrfaches Hören fordert – und belohnt –, wobei jedes neue Anhören neue Schichten offenbart. Für diejenigen, die Cohens künstlerische Reise verfolgen, markiert „Brightland“ einen mutigen Schritt nach vorne, der seine Position unter den ambitioniertesten Jazzkünstlern der Gegenwart festigt.
Dies ist nicht einfach ein weiteres Album in Cohens Werk; es ist ein Meisterwerk, das seinen unermüdlichen Drang nach musikalischer Erneuerung unterstreicht. Indem Cohen verschiedene Traditionen ehrt und gleichzeitig neue Wege erkundet, hat er mit „Brightland“ ein zeitloses Werk geschaffen, das sowohl zugänglich als auch herausfordernd ist – eine seltene Kombination, die von seiner außergewöhnlichen künstlerischen Vision zeugt. (9/10) (RazDaz)