Übersicht über die Albumrezensionen: MOMO., Lykke Li und mehr
|Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.
Curses – Another Heaven
Auf seinem neuen Album “Another Heaven” nimmt uns Curses mit auf eine dunkle, hypnotische Reise durch die Post-Punk-Landschaft. Die Platte, die über das renommierte Label Italians Do It Better erscheint, ist eine meisterhafte Fusion aus 80er-inspirierter Gothic-Musik, melancholischem New Wave und rauer elektronischer Body Music. Der Eröffnungstrack ‘Caviar’ setzt den Ton mit geisterhaften Gitarren und mitreißenden Synthesizern. Der Titeltrack “Another Heaven” baut darauf auf und verbindet Nostalgie mit futuristischem Sound. Die Produktion ist kristallklar und durchdacht, wobei jedes Element perfekt im Gesamtkonzept platziert ist. Höhepunkte sind die Zusammenarbeit mit Marie Davidson im träumerischen ‘Helium’ und Skelesys im hypnotischen ‘Vanish’. ‘Elegant Death’ und ‘H2SG’ zeigen Curses’ Fähigkeit, tanzbare Beats mit düsteren Melodien zu verweben, während ‘Echoes’ mit seinem filmischen Charakter beeindruckt. Dieses dritte Album bestätigt Curses’ Status als wichtige Figur in der modernen Post-Punk-Szene. “Another Heaven” ist ein kohärentes Werk, das die Essenz verschiedener dunkler Genres einfängt und in etwas Zeitgenössisches verwandelt. Ein Muss für Liebhaber intelligenter, atmosphärischer elektronischer Musik. (Tobias Braun) (7/10) (Do It Better)
MOMO. – Gira
Das siebte Album von MOMO., aufgenommen im ikonischen Total Refreshment Centre, markiert eine erfrischende Wendung in seiner Karriere. Der Eröffnungstrack ‘Pára’ gibt den Ton an mit einem mitreißenden Groove, bei dem Jessica Laurens Keyboard und Tamar Osborns Baritonsaxophon perfekt mit MOMOs hypnotischem Gesang harmonieren. Das Album strahlt Spontaneität aus – eine bewusste Entscheidung des in Brasilien geborenen Künstlers, der seine Londoner Musikerfreunde einlud, frei zu experimentieren. Die Produktion von Collin Dupuis ist kristallklar und gibt jedem Instrument Raum. Songs wie ‘Rio’ und ‘My Mind’ zeigen MOMOs Fähigkeit, tropicália-Einflüsse mit modernen Jazz-Arrangements zu verbinden. Das intime “Summer Interlude” bildet einen perfekten Ruhepunkt zwischen den groove-gesteuerten Tracks. Was “Gira” so einzigartig macht, ist die natürliche Verschmelzung brasilianischer Songwriting-Traditionen mit Londoner Jazz-Innovation. Das Album fühlt sich nie erzwungen an und fließt als organisches Ganzes. MOMO. zeigt, dass musikalische Cross-Pollination am besten funktioniert, wenn sie aus reiner Spielfreude und künstlerischer Freiheit entsteht. Mit “Gira” schafft MOMO. einen faszinierenden Schnittpunkt zwischen brasilianischen Wurzeln und der lebendigen Londoner Jazzszene. (Norman van den Wildenberg) (8/10) (Batov Records)
Lykke Li – ƎYƎYƎ
Auf “ƎYƎYƎ” präsentiert Lykke Li eine Neuinterpretation ihres Albums “EYEYE” von 2022. Doch was für eine Neuinterpretation; es kann als Tiefpunkt ihrer Karriere angesehen werden. Diese rückwärts konstruierte Version ihres Albums von 2022 ist nicht mehr als ein prätentiöser Marketingtrick ohne jegliche musikalische Substanz. Das Konzept – die Originaltracks rückwärts abzuspielen, wie man es in den 70er- und 80er-Jahren mit einem Plattenspieler machte – klingt auf dem Papier interessant, ist auf CD jedoch schlichtweg enttäuschend. Was bleibt, ist ein unzusammenhängendes Klanggeflecht, das jede Musikalität erstickt. Die Zusammenarbeit mit NATURE auf ‘TЯAƎH ЯUOY OT YAWHӘIH’, bei der Naturgeräusche hinzugefügt wurden, wirkt erzwungen und oberflächlich. Es erscheint wie ein billiger Versuch des Greenwashing. Die umgedrehten Tracks sind nicht mehr als ein künstlerischer Gimmick, der nach einem Hördurchgang seine Neuigkeitswert verliert und den Nachteil gegenüber einer LP hat, dass man die Tracks nicht einfach normal hören kann. Das gesamte Projekt, einschließlich der prätentiösen Titel mit umgekehrten Buchstaben, schreit nach Aufmerksamkeit, ohne etwas Wesentliches zu sagen. Selbst das Albumcover ist nur eine gespiegelte Version von “EYEYE”. Li scheint sich in ihrem eigenen künstlerischen Labyrinth verloren zu haben, in dem Experiment wichtiger geworden ist als Authentizität. Ein enttäuschender Fehltritt einer Künstlerin, die einst faszinieren konnte. (Norman van den Wildenberg) (2/10) (Play It Again Sam / Crush Music)
Marc Lavoine – Revolver
Wie ein gereifter Wein, der sein volles Potenzial erreicht, klingt Marc Lavoine auf seinem neuen Meisterwerk “Revolver”. Der französische Chansonnier, der seit vier Jahrzehnten dem Chanson eine zeitgenössische Stimme verleiht, hat sich mit einem Album, das sowohl zeitlos als auch überraschend aktuell wirkt, neu erfunden. Mit 18 Tracks könnte “Revolver” unter seiner eigenen Ambition zusammenbrechen, doch das Gegenteil ist der Fall. Als erfahrener Geschichtenerzähler nimmt Lavoine uns mit auf eine musikalische Reise, bei der jedes Kapitel seinen eigenen Glanz hat. Die Arrangements des National Symphony Orchestra of Bulgaria heben die Kompositionen auf ein nahezu filmisches Niveau – keine Überraschung mit Filmkomponist Fabrice Aboulker an Bord, der die Melodien in ein opulentes, jedoch nie überladenes orchestrales Gewand kleidet. Der Höhepunkt ist zweifellos “Paris”, ein Duett mit der französisch-algerischen Sängerin Souad Massi. Ihre Stimmen verschmelzen wie zwei Flüsse, die sich vereinen, wobei Massis nordafrikanische vokale Nuancen perfekt zu Lavoines warmer Baritonstimme passen. Es ist ein Lied, das Paris nicht als Stadt des Klischees besingt, sondern als Metropole, in der sich Kulturen und Lebensgeschichten vermischen. Jean-François Bergers Gitarrenspiel fügt subtile Schichten hinzu, mal mit leichten Arpeggien, mal mit gewagten harmonischen Wendungen, die den Songs eine moderne Note verleihen. Diese Balance zwischen Tradition und Erneuerung macht “Revolver” so besonders. Dies ist keine Sammlung loser Stücke, sondern ein sorgfältig konstruiertes Album, das verlangt, als Ganzes gehört zu werden. Lavoine beweist, dass das französische Chanson nicht nur lebendig ist, sondern sich weiterhin entwickelt. “Revolver” ist ein Volltreffer, ein Album, das jetzt schon klassisch wirkt. Diese Veröffentlichung unterstreicht, warum Marc Lavoine nach all den Jahren noch immer eine der faszinierendsten Stimmen Frankreichs ist. Eine essenzielle Ergänzung zu seiner beeindruckenden Diskografie und zweifellos ein musikalischer Höhepunkt des Jahres. (Elodie Renard) (9/10) (Barclay/ML44)
Chet Baker – In Paris: The Complete 1955-1956 Barclay Sessions
Für den erfahrenen Jazzliebhaber präsentiert sich hier ein wahrer Schatz: die vollständigen Barclay-Aufnahmen des Trompeters Chet Baker aus den Jahren 1955-1956. Wo frühere Veröffentlichungen auf 31 Tracks beschränkt waren, bietet diese Luxusbox ganze 91 makellose Interpretationen, die Bakers einzigartigen Klang in Paris einfangen. Baker, einer der Hauptvertreter des West Coast Cool Jazz, zeigt in diesen Aufnahmen, warum er eine revolutionäre Kraft im Jazz war. Sein intimes, lyrisches Trompetenspiel und charakteristischer Gesang vereinten sich perfekt mit der europäischen Jazzszene jener Zeit. Diese Pariser Sessions fanden auf dem Höhepunkt seines Könnens statt, bevor seine Heroinabhängigkeit seine Karriere überschatten sollte. Für Kenner dieser Aufnahmen bietet diese Sammlung wenig Überraschungen – es sind schließlich dieselben Sessions, die bereits in verschiedenen Formaten veröffentlicht wurden. Aber für den Komplettisten und ernsthaften Baker-Sammler ist diese Box ein Muss. Die Klangqualität ist hervorragend und die Präsentation wird dem historischen Wert dieser Aufnahmen gerecht. Obwohl der Preis hoch ist, bietet diese Veröffentlichung einen einzigartigen und umfassenden Überblick über Bakers Pariser Periode. Ein wertvolles Dokument einer Jazzlegende auf ihrem künstlerischen Höhepunkt, jedoch vor allem für den engagierten Sammler gedacht, der Vollständigkeit anstrebt. (Jan Vranken) (8/10) (Decca)