Übersicht über die Albumrezensionen: Peter Gabriel, Yeule und mehr

Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.

Foto (c) Jorge Fakhouri

NinémiA – Weapons of Math Destruction

Was bekommt man, wenn man Musiker aus Zypern, Polen, Weißrussland und einen Schlagzeuger von Megadeth zusammenbringt? Das Debütalbum “Weapons of Math Destruction” von NinémiA, und das ist eine Fahrt. Christos Agathokléous, das zypriotische Hirn hinter diesem starken Projekt, hat hier wirklich etwas Besonderes geschaffen. Vom Opener “Psychotropic Plague” an weiß man sofort, dass einen etwas Schweres und Kompromissloses erwartet. Der polnische Sänger Mikolaj Krzaczek fügt dem Ganzen eine interessante Schärfe hinzu. Seine Stimme erinnert manchmal an den eigenwilligen Serj Tankian von System of a Down, was überraschend gut zu dem dunkleren Ansatz der Band passt. Aber sprechen wir über diese Drums. Dirk Verbeuren (Megadeth) ist auf allen zehn Tracks messerscharf. Sein Spiel ist absurd straff, ob er nun durch das vier Minuten dauernde “Same Old Story (S.O.S)” hämmert oder den elf Minuten dauernden, instrumentalen Titeltrack solide verankert. Derek Sherinians Keyboard-Parts auf “The Acquired Savant” sorgen für eine willkommene zusätzliche Schicht, während Songs wie “Oppenheimer” deutlich machen, dass die Band schwereren Themen nicht aus dem Weg geht. Mit einer Spielzeit von 70 Minuten ist das eine ordentliche Sitzung, aber dank der Abwechslung bleibt es fesselnd. Diese internationale Zusammenarbeit funktioniert. “Weapons of Math Destruction” schlägt hart zu und lässt einen hungrig nach mehr zurück. (Norman van den Wildenberg) (9/10) (Nimenia Records)

Danny Grisset – Travelogue

Der amerikanische Pianist und Komponist Danny Grisset ist einer der gefragtesten Musiker im modernen Jazz und sammelt seit sicherlich zwanzig Jahren eine beträchtliche Anzahl von Flugstunden an der Seite verschiedener großer Namen. Dennoch will es mit einer Solo-Laufbahn, an der Grisset seit 2006 baut, international einfach nicht richtig klappen. Das ist seltsam. Setzen Sie dieses “Travelogue” auf und seien Sie wieder überrascht über das energische, fließende Spiel und besonders das brillante Gefühl für Rhythmus und Timing. Begleitet von Schlagzeuger Bill Stewart und Bassist Vicente Archer bringt Grisset zehn hauptsächlich eigene Kompositionen als Reflexion über das Leben eines reisenden Jazzartisten. Jeder häufige Reisende, nehmen Sie ‘Flugstunden’ ganz wörtlich, wird es erkennen: die Momente der Ruhe, wenn man einmal am Zielort angekommen ist (“Whisper Not”), kontrastiert gegen die unvermeidliche Hektik des Reisens selbst. Und immer das Gefühl, unterwegs zu sein, das Zuhause zu vermissen (“The Long Way Home”), ohne sich einsam zu fühlen in einer weiteren großen Stadt (“The People in the City”). Dennoch haben wir gelegentlich Heimweh und verlieren uns in düsteren Gedanken (“Here’s That Rainy Day”), aber da ist immer eine weitere Reise, auf die wir uns freuen (“Spin Cycle”). Es kommt alles in den zehn Tracks auf “Travelogue” zurück. Grisset schafft es dabei perfekt, eine Atmosphäre im klassischen Jazz-Gewand von Klavier, Bass und Schlagzeug zu schaffen. Ein klassisches Gewand, das überall mit hinreist und nirgends fehl am Platz ist. (Jeroen Mulder) (8/10) (Savant Records)

Peter Gabriel – Sophia Gardens

Mehr als vierzig Jahre nach dem ursprünglichen Konzert hat Yard Stick endlich Peter Gabriels Auftritt im Cardiff’s Sophia Gardens Pavilion offiziell auf den Streaming-Diensten veröffentlicht. Leider hätten sie das besser bleiben lassen sollen. Was einst als Bootleg unter Sammlern zirkulierte, erweist sich in offizieller Form immer noch als auditive Tortur. Die Tonqualität ist rundweg abscheulich – eine Kombination aus kratzenden Mono-Aufnahmen und staubigen Stereo-Spuren, die mehr nach einem heimlichen Kassettenrekorder klingen als nach einer professionellen Radiosendung. Gabriels Stimme ertrinkt regelmäßig im schlammigen Mix, während die Instrumente klingen, als würden sie durch ein Kissen gespielt. Historisch gesehen ist diese Aufnahme interessant. Das Konzert fand kurz vor der Veröffentlichung seines bahnbrechenden “Melt”-Albums statt und enthält frühe Versionen späterer Klassiker wie “We Do What We’re Told (Milgram’s 37)”. Für den echten Gabriel-Devotee ist diese nun endlich über Streaming-Dienste zugänglich. Dennoch bleibt die Frage: war das wirklich nötig? Manche Schätze bleiben besser begraben, und diese Aufnahme hätte ruhig in der Bootleg-Unterwelt bleiben können, wo sie hingehörte. (Jan Vranken) (5/10) (Yard Stick)

Becca Wilkins – Rêverie

Es sind vermutlich die zwei bekanntesten Lieder von Charles Aznavour: “La Bohème” und “Emmenez-moi”. Ganz zu schweigen davon, dass dies wahre Monumente sind, mit denen man sehr vorsichtig umgehen muss. Wie bei allen französischen Chansons geht es primär um den Text und wie man ihn bringt; die Musik ist faktisch dem Wort untergeordnet. Die aus London stammende Sängerin Becca Wilkins wagt sich auf “Rêverie” an die Interpretation nicht nur von Aznavour, sondern auch Brel, Piaf und Montand kommen in neuen Jazz-Interpretationen vor. Eine Britin, die Chansons singt? Kein Problem: Wilkins wuchs teilweise in der Normandie auf und beherrscht die Sprache; an der Aussprache des Französischen ist daher nichts auszusetzen. Auf dieser CD müssen wir hauptsächlich über die Arrangements sprechen. In den Originalen sind diese oft schlicht gehalten, um dem Text so viel Raum und dadurch Kraft zu geben wie möglich. Wie anders sind die reichen Arrangements, mit denen Wilkins diese Gedichte zu Gehör bringt. Die Sängerin wird von einem Trio begleitet, das eine herrliche Jazz-Sauce über die Chansons gießt. Zum ersten Mal seit Aznavour geht “Emmenez-moi” nun wieder unter die Haut, dank des Klavier-Arrangements im ersten Teil, dem Einsetzen von Bass und Drums im zweiten Teil, wodurch es plötzlich einen ‘Swing’ bekommt, und dann diese wunderschöne Stimme von Wilkins. Oder “Amsterdam” von Brel, wo Wilkins nur von einem Trommelschlag begleitet wird, der während des Liedes immer lauter wird, zwingender. Pièce de résistance, um in der Stimmung zu bleiben, ist “Hymne à l’amour” von Piaf. Es ist die Eröffnung und der Abschluss des Albums. In der Eröffnung weicht das Arrangement stark davon ab, wie La Môme es einst der Ewigkeit anvertraute, einschließlich des Wechsels der Tonarten, aber im zweiten Teil, dem Abschluss, bleibt Wilkins doch nah am Original. Bei Piaf kann man nicht vorsichtig genug sein. (Jeroen Mulder) (8/10) (Lamplight Social Records)

Yeule – Evangelic Girl is a Gun

Yeule, das musikalische Projekt des singapurischen Künstlers Nat Ćmiel, hat sich in den letzten Jahren zu einer der faszinierendsten Stimmen in der experimentellen elektronischen Musik entwickelt. Nach dem vielgepriesenen “softscars” (2023) kehrt yeule mit “Evangelic Girl is a Gun” zurück, einem Album, das ihre künstlerische Evolution perfekt illustriert. Das Album klingt außergewöhnlich gut produziert und präsentiert einen zugänglichen, breiten und gut definierbaren modernen Sound, der Glitch-Pop, Alt-Rock und Trip-Hop nahtlos verwebt. Yeule hat hier einen Sound geschaffen, der sowohl experimentell als auch kommerziell ansprechend ist, ohne Kompromisse bei ihrer künstlerischen Vision einzugehen. Ein absoluter Höhepunkt ist “The Girl Who Sold Her Face”, ein Track mit einem unwiderstehlichen Groove, der sogar genug Hit-Potenzial hat, um den Mainstream zu erreichen. Durch das ganze Album hindurch schwebt der Geist eines frühen David Bowie, sowohl im Gefühl als auch im Sound, diese theatralische Intensität und genderfluide Expression, die Bowie so ikonisch machte. Mit hypnotisierenden Melodien und einer faszinierenden Erkundung von Identität und Transformation ist “Evangelic Girl is a Gun” ein sehr gutes Album geworden, das yeules Position als innovative Kraft in der zeitgenössischen Popmusik weiter festigt. (Jan Vranken) (8/10) (Ninja Tune)

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