Neil Young energisch mit junger Band in Mönchengladbach
|Neil Young wird diesen November 80 Jahre alt. Dennoch ist die Tatsache, dass er noch immer aktiv ist, nur eine Untertreibung. Er veröffentlicht jährlich so viel Material, dass selbst seine größten Fans Schwierigkeiten haben, mitzuhalten. Dabei handelt es sich oft um Alben, die jahrzehntelang im Regal lagen, aber kürzlich erschien sein neuestes Album “Talkin To The Trees”. Aufgenommen mit einer neuen Begleitband: The Chrome Hearts. Wobei ehrlich gesagt werden muss, dass das Album kaum ein Meisterwerk ist. Wahrscheinlich geht es ihm einfach darum, mit einer neuen Band zu touren. Denn seine aktuelle ‘Love Earth’-Tour kann durchaus Lob ernten. Ich war am Freitagabend beim Konzert im Warsteiner HockeyPark in Mönchengladbach. Mit denselben jungen Musikern von The Chrome Hearts, aber auch dem Veteranen Spooner Oldham an der Orgel, der in den 60er Jahren mit großen Namen wie Aretha Franklin, Percy Sledge und Wilson Pickett spielte.

Der Abend begann mit einem ‘Deep Cut’ aus seinem Katalog: dem halbakustischen “Ambulance Blues”, das er nach Jahren wieder entstaubt hatte. Es schien noch etwas in Gang kommen zu müssen. Aber dann erhielt Mönchengladbach eine Tour-Premiere: “Cowgirl In The Sand” von seinem zweiten Album “Everybody Knows This Is Nowhere” aus 1969. Während Neil zu Beginn noch wirklich wie ein Mann von fast 80 Jahren wirkte, mit zerrissenem T-Shirt, schien durch die Interaktion mit seinen jungen Bandmitgliedern auch wieder Jugendlichkeit zu ihm zurückzukehren.
Neil Young hat in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich deutlich gemacht, wo er im gesellschaftlichen Spektrum steht. Seine Tour heißt nicht umsonst ‘Love Earth’-Tour, und seine Ideale stehen, wie bei Springsteen, im Gegensatz zu Trumps Ideen. Aber anders als Springsteen, der bei seiner letzten Tour Abhandlungen darüber hielt, ließ Neil Young die Musik für sich sprechen. Wie bei dem aus 2003 stammenden “Be The Rain”, mit einer nach 22 Jahren noch immer relevanten Botschaft. Es bekam einen aktivistischen Anstrich, da er teilweise durch ein Megafon sang. Auch das Lied “Fuckin’ Up” konnte auf viel Beifall vom Publikum durch massenhaft erhobene Mittelfinger zählen.
Dennoch war der ganze Abend nicht bissig. Zwar passte “Southern Man” gut dazu, aber das vollständig akustisch und solo gespielte “The Needle and the Damage Done” sorgte für eine sanftere Atmosphäre. Wobei anschließend “Harvest Moon” perfekt zur untergehenden Sonne passte. Bei dem von Crosby, Stills, Nash & Young stammenden “Looking Forward” wussten die Bandmitglieder perfekt die Chöre der alten Kollegen nachzusingen.
Den ganzen Abend über hing eine vogelförmige Konstruktion über der Bühne. Bei einer lang ausgesponnenen Version von “Like A Hurricane” kam diese herunter und entpuppte sich als Synthesizer. Das war zwar das einzige an besonderen Effekten, was man bei einem Neil Young-Konzert erwarten kann, aber Neil braucht das auch nicht weiter. Er wusste zum Beispiel auch Beifall zu ernten, als er unerwartet “Heart Of Gold” anstimmte. Anders als anderswo erhielt Mönchengladbach kein “Rockin’ In The Free World” als Zugabe, sondern noch einmal ein bissig gespieltes “Hey Hey, My My (Into The Black)”.
Was das Ende eines Konzerts einer Legende bildete, die nicht die Energie von jemandem mit 80 Jahren zu haben schien, sondern mindestens 20 Jahre jünger wirkte. An seiner charakteristischen Stimme hat sich nichts geändert. The Chrome Hearts mögen zwar keine Band wie Crazy Horse sein (jahrelang Youngs feste Begleitband), aber sie standen ihnen kaum nach. Es schien sogar, als würden seine jüngeren Bandmitglieder ihn selbst auch jung halten.