BAP auf Zeitreise in Sartory, Köln 

In der Friesenstraße vor dem Eingang des alten Sartory-Saals bildete sich gestern Abend, 7. Dezember, ab etwa 19 Uhr eine lange Schlange von Menschen. Vor ausverkauftem Haus fand die erste Aufführung der “Zeitreise” von BAP statt.

Wolfgang Niedecken, der heute 72-jährige Frontmann der Band, von Beruf Sänger und Dichter, hatte die Konzertreihe schon länger angekündigt. Zunächst als kleines und einmaliges Spektakel im Sartory-Saal, wo für BAP alles begann, aber aufgrund des Erfolges ist daraus inzwischen eine weitere internationale Tournee geworden, noch bevor ein Ton gespielt wurde.

BAP nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise in die frühen 1980er-Jahre und beugt sich dem Willen der Fans. Die Band spielt die Alben ‘für usszeschnigge’ und ‘Vun Drinne Noh Drusse’, mit denen sie ihren Erfolg begann, in voller Länge, ergänzt durch einige Songs von ‘Live/Bess Demnähx’.

Der Sartory-Saal war von Anfang an mit 1400 Fans ausverkauft. Jeder hatte ein paar Euro mehr für die alte Papp-Eintrittskarte bezahlt, die man hinterher so schön behalten konnte. Am Eingang gab es niemanden, der einen Barcode hatte. Herrlich. 

So viele Bap-Fans zusammen, das konnte nur eine tolle Nacht werden. Das Durchschnittsalter lag in den hinteren 50ern, frühen 60ern. Leute, die mit 17 Jahren gefallen sind. Für BAP und das Charisma von Niedecken. Menschen, die sich gegen soziale Ungerechtigkeit wehrten und sich nach dem revolutionären Künstler Niedecken streckten, der sich vom Maler zum größten Rockstar entwickelt hat, den Deutschland je hatte.

Niedecken will es auch zu einer schönen Partynacht machen, denn auch er hat sich verändert, wie er sagt. Er ist nicht mehr der ‘naive Pazifist’ von früher. Seine gesellschaftskritischen Lieder, die er vor über 40 Jahren schrieb und auf vielen Großdemonstrationen präsentierte, sind immer noch sehr aktuell. Wieso naiv?

Und wie wunderbar, all diese wunderbaren Lieder in Gesellschaft von 1400 anderen BAP-Fans vorbeiziehen zu hören. Es war eine Party, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat. Die Band rockte, die Band groovte, Niedecken riss Witze und hatte sichtlich Spaß. Klang bestimmende Veteranen Werner Kopal, der seit 1996 rechts am Bass spielt, und links hinter den Tasten Michael Nass, der seit 1999 dabei ist. Und natürlich Anne de Wollf an Geige und Schlagzeug. Sie hatte während des Auftritts leider einige technische Probleme, die aber die Qualität des Auftritts nicht wesentlich beeinträchtigten.

Als die düsteren Dröhnklänge von “Kristalnaach” den Saal erfüllen, muss Niedecken Stellung beziehen. Es ist klar. Für Judenhass und Antisemitismus ist in Deutschland auch heute kein Platz. Schade, dass ein mehr als 40 Jahre alter Rocksong heute noch so aktuell ist. Gänsehaut, immer und immer wieder.

Die Band nahm uns mit auf eine erstaunliche nostalgische Zeitreise. Was für eine Freude, all diese Songs live zu hören. “Nit for Kooche” mit Anne de Wolff als Sängerin, zu hören in der bekannten Fastenhalle Sartory, war einzigartig. “Zehnder Juni”, “Juli Mann”, “Ahne Leitplank” Stücke, die entweder seit 35 Jahren nicht mehr live gespielt worden waren oder noch nie live gespielt wurden. Als 57-Jähriger konnte ich nun das BAP-Konzert erleben, zu dem mich meine Eltern 1980 nicht hatten gehen lassen. Was für ein Erlebnis.

Das längste BAP-Konzert der Geschichte dauerte 4 Stunden und 8 Minuten. Im Sartory spielte die Band nicht weniger als 10 Zugaben! Das brachte die Zeit ebenfalls auf über drei Stunden. Niedecken schloss, ganz stilvoll allein, mit “Helfen kann dir keiner”. 

Die nostalgische Zeitreise von BAP erwies sich, nicht ganz zufällig, aktueller denn je. Die Themen von vor 40 Jahren sorgen auch heute noch für Diskussionen, die Menschheit hat nicht dazugelernt. Ein augenzwinkernder Abschluss für einen außergewöhnlichen Konzertabend. BAP ist immer noch da. Und wie.

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