Übersicht über die Albumrezensionen: Haim, Paul Carrack und mehr
|Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.
Tim Jago – Time Shift
Der Titel dieses Albums ist bemerkenswert zutreffend: Die Eigenkompositionen dieses australischen Gitarristen sind durch wechselnde, oft ungewöhnliche Taktarten und Tempi gekennzeichnet. Obwohl Tim Jagos Name auf dem Cover prangt, ist es wirklich das Verdienst von Schlagzeuger David Chiverton, dass die Stücke ordentlich auf Kurs bleiben. Das ist wahrlich keine Sinekure, besonders wenn Stücke doppelte Taktarten haben – Double Timing. Nehmen Sie ein Stück wie „Soil to Sky”, in dem ständig zwischen einem Viervierteltakt und 5/8 gewechselt wird. Chiverton hält die Komposition straff, während Jago und Saxophonist Mark Small ihre melodischen Soli durch den Rhythmus weben dürfen. In solch komplexen Kompositionen droht eine Platte schnell zu technisch zu werden, aber davon ist hier keine Rede: Im Gegenteil, es ist vor allem die ansteckende Energie, die dieses Album vorantreibt. Natürlich hört man, dass dies anspruchsvolles Material ist und etwas Flexen der musikalischen Muskeln ist dem Ensemble um Jago nicht fremd, aber dennoch ist das Endergebnis ein Album mit überwiegend schöner Fusion-Arbeit. Höhepunkt ist das Solo von Bassist Dion Kerr in „Major”, der hierfür das volle Register des sechssaitigen Basses nutzt. Neben den Eigenkompositionen enthält dieses Album zwei Coverversionen: „Bernie’s Tune” von Bernie Miller und „Body and Soul” von John Green. Letzteres Stück, ein Jazz-Standard aus den dreißiger Jahren, stellt für manchen Solisten eine enorme Herausforderung dar wegen der besonderen Akkordfolge, aber wiederum ist es ein meisterhafter Chiverton, der mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als Jagos virtuose Finger oder Smalls lyrisches Saxophon. Dank Chiverton behält „Body and Soul” den Swing, mit dem Coleman Hawkins die Nummer in den vierziger Jahren als eine der ersten Bebop-Aufnahmen groß gemacht hat. Damit wird „Time Shift” doch vor allem David Chiverton’s Album. (Jeroen Mulder) (7/10) (Bespoke Jazz)
Morten Haxholm – Aether II
„Ambient 1: Music for Airports” aus 1978 war das Album, mit dem Brian Eno Musik einführte, die er als „as ignorable as it is interesting” beschrieb, gedacht um einen Raum zu füllen, nicht um Aufmerksamkeit zu fordern. Eno war unbestreitbar der Mann, der Soundscapes populär machte, einschließlich Einfluss auf den Jazz, besonders in den experimentelleren und ambient-orientierten Richtungen des modernen Jazz. Ausgerechnet in Skandinavien ist dies ein Stil, der manchen Liebhaber bezaubern kann. Und so füllt der dänische Bassist Morten Haxholm einmal mehr eine Scheibe mit Musik, die zwischen meditativer Klangerfahrung und experimentellem Jazz die Mitte hält. Minimalismus und Elektronik bilden die wichtigsten Zutaten dieses „Aether II”. Man kann natürlich eine schöne philosophische Geschichte dazu erzählen, über Kindheitserinnerungen an Magnolien im Garten der Großeltern, Spielzeug oder schöne Naturlandschaften, aber das verbirgt nicht, dass die Kompositionen und besonders die Motive im Kern ziemlich einfach sind. Beruhigung, nennt es Haxholm selbst. Die Platte muss vor allem vom Ambient-Klang leben, der durch hervorragende Produktion äußerst verfeinert und räumlich klingt: als ob das Ensemble in Ihrem Zimmer stehen und spielen würde. Musikalisch passiert jedoch zu wenig, um die Aufmerksamkeit gut drei Viertelstunden zu fesseln. (Jeroen Mulder) (6/10) (Zack’s Music)
Paul Carrack – The Country Side of Paul Carrack, Volume 1
Im Alter von 74 Jahren wagt sich Paul Carrack an sein erstes Country-Album, eine nostalgische Sammlung von zehn klassischen Country-Nummern aus den fünfziger bis siebziger Jahren. Der Mann mit „der goldenen Stimme” beweist, dass seine warme Bariton-Stimme überraschend gut zu diesem Genre passt. Das Album eröffnet stark mit Don Gibsons „Sea of Heartbreak” (1961), wo Carracks soulvolle Interpretation dem Klassiker eine moderne Frische verleiht. Höhepunkte sind die Single „Take These Chains from My Heart” von Hank Williams und das originale „Cold Light of Day” mit spielerischen Klavierlinien. Die Nashville-Produktion von Steven Wood ist vortrefflich, mit authentischer Country-Instrumentierung, die perfekt mit Carracks charakteristischer Keyboard-Arbeit integriert. Mit 32 Minuten ist das Album recht kurz, und Carrack spielt es überwiegend sicher mit bekannten Klassikern. Dennoch gelingt es ihm ausgezeichnet, Respekt für die Country-Tradition zu zeigen, während er die Nummern zu seinen eigenen macht. Eine warme, fachkundige Hommage, die hoffentlich eine Fortsetzung bekommt. (Jan Vranken) (7/10) (Carrack UK)
Russ – W!LD
Nach seinem kommerziellen Durchbruch mit Hits wie „What They Want” kehrt Russ mit einer introspektiven Reise nach innen zurück. „W!LD”, sein sechstes Studioalbum, markiert eine bewusste Distanz von den äußeren Erfolgen, die seine Karriere definiert haben. Der in Atlanta lebende Rapper begibt sich auf unbekanntes Terrain und erkundet, wer er wirklich ist, jenseits der Kontroverse und des kommerziellen Erfolgs. Musikalisch kombiniert Russ seine charakteristische selbstgemachte Produktion mit einer reiferen Perspektive. Die 19 Nummern reichen von der motivierenden Hymne „Movin'” bis zur verletzlichen Selbstreflexion von „Trying”. Seine Worte bleiben scharf, zeigen aber neue Tiefe in der Erkundung von Grenzen und emotionalem Wachstum. Die Produktion fühlt sich organischer an als bei früheren Projekten, mit Raum für sowohl Coolness als auch Stille. Höhepunkte sind das ansteckende „April 7″ und das kontemplative „Superman”, wo er anerkennt, dass er nicht immer der rettende Engel sein kann. Das Album profitiert von seiner Vielseitigkeit, aber fehlt manchmal an Fokus in seinem Ehrgeiz, alle Seiten seiner Persönlichkeit zu beleuchten. Dennoch beweist „W!LD”, dass Russ’ Evolution als Künstler und Mensch Hand in Hand gehen, was zu seinem persönlichsten Werk bis heute führt. (Elodie Renard) (7/10) (Diemon)
Haim – I Quit
Fünf Jahre nach dem Grammy-nominierten „Women in Music Pt. III” sind die Haim-Schwestern zurück mit ihrem ehrlichsten Statement bis jetzt. „I Quit” funktioniert als ein ausgedehnter Kündigungsbrief an alles, was ihnen nicht länger dient, von toxischen Beziehungen bis zu eigenen begrenzenden Gedanken. Es ist ihr erstes Album ohne langjährigen Produzenten Ariel Rechtshaid, was zu einem direkteren und rockigeren Sound führt. Die 15 Nummern atmen Befreiung und Selbstakzeptanz. Rostam Batmangliijs Co-Produktion bringt die Band zurück zu ihren Rock-Wurzeln, während die lyrische Reife neues Terrain erkundet. Danielles Stimme steht zentraler als je zuvor, unterstützt von den warmen Harmonien ihrer Schwestern. Von der ansteckenden Frustration der Lead-Single „Relationships”, vergleichbar mit ihrem Durchbruchs-Hit „The Wire”, bis zum U2-inspirierten Abschluss „Now It’s Time”, zeigt das Album ihre größte emotionale Bandbreite. Die erste Hälfte enthält die stärksten Nummern, einschließlich des verspielten „Down to Be Wrong” und des kathartischen „Everybody’s Trying to Figure Me Out”. Einige spätere Tracks fühlen sich weniger wesentlich an, und das Album vermisst manchmal einen konsistenten „Haim 2025″-Sound. Dennoch beweist „I Quit”, dass aufzugeben manchmal die mutigste Wahl ist, sowohl künstlerisch als auch persönlich. (Jan Vranken) (8/10) (Universal Music)