Übersicht über die Albumrezensionen: Jethro Tull, Wet Leg und mehr
|Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.
Micke & Lefty ft. Chef – Live On Air
Dieses doppelte Live-Album zeigt die akustische Seite des finnischen Bluesmusikers Micke Bjorklof in Zusammenarbeit mit Gitarrist Lefty Leppänen und Miikka ‘Chef’ Kivimäki. Die erste Scheibe wurde am 16. Mai 2020 live im Boomroom Studio in Kauhava aufgenommen und später im deutschen Radio ausgestrahlt. Der zweite Teil ist eine Aufnahme vom BluesBaltica Bluesfest in Eutin aus dem Jahr 2023. Die Stärke dieses Albums liegt in der intimen, akustischen Herangehensweise sowohl an eigene Kompositionen, hauptsächlich von Lefty, als auch an klassische Blues-Covers. Robert Johnson, Willie Dixon, Jimmy Rodgers und Big Bill Broonzy werden in respektvollen Interpretationen präsentiert, die die Essenz der ursprünglichen Lieder bewahren. Das Trio schafft eine warme, authentische Atmosphäre, in der Bjorklofs Mundharmonika und Gesang wunderbar mit Leftys Gitarrenspiel verschmelzen. Die Live-Aufnahmen atmen die Spontaneität und Energie echter Blues-Auftritte. “Live On Air” beweist, dass guter Blues nicht immer laute Verstärker braucht – manchmal ist weniger mehr. (Eric Campfens) (7/10) (Hokahey Records)
Wet Leg – moisturizer
Nach ihrem Grammy-prämierten Debüt beweist “moisturizer”, dass Wet Leg nicht unter dem Zweitalbum-Fluch leidet. Rhian Teasdale und Hester Chambers liefern eine brutalere, emotional ehrlichere Platte als ihr Debüt ab. Das Album eröffnet mit “CPR”, wo Verliebtsein als medizinischer Notfall behandelt wird, typisch Wet Leg. Produzent Dan Carey verfeinert ihren Sound, ohne die rohe Energie zu verlieren. Höhepunkte “Mangetout” und “Catch these fists” zeigen ihre Entwicklung vom Duo zur fünfköpfigen Band. Während ihr Debüt davon handelte, nervige Männer abzuservieren, taucht “moisturizer” tiefer in die Liebe ein. “Davina Mccall” kombiniert träumerische Melodien mit urkomischen Texten (“I’ll be your Shakira, whenever, wherever”), während “pond song” Chambers gestehen lässt, wie verliebt sie ist. Wie The Strokes kombinieren sie Punk-Energie mit unvergesslichen Hooks. Einziger Kritikpunkt: Die langsame Ballade “11:21” passt nicht zu ihrem Stil. Ansonsten zeigt “moisturizer” eine selbstsicherere, emotional reifere Band, ohne ihren charakteristischen Humor zu verlieren. (Jan Vranken) (8/10) (Domino Recording)
Barry Can’t Swim – Loner
Edinburghs Joshua Mainnie liefert mit “Loner” eine introspektive Fortsetzung seines hochgelobten Debüts. Während sein erstes Album eine Collage geliebter Musik war, fühlt sich dies wie sein authentischster Ausdruck an. Das Album eröffnet meditativ mit “The Person You’d Like To Be”, wobei philosophische Untertöne das gesamte Album durchziehen. Mainnie hat seine musikalische Palette um Jazz, Ambient und Broken Beat erweitert, was zu einem reicheren Klang führt. Höhepunkte sind das melancholische “All My Friends” und das Four Tet-ähnliche “Kimpton” (mit O’Flynn), das sich wie ein Sonnenuntergang auf Psychedelika anfühlt. “Cars Pass By Like Childhood Sweethearts” liefert warme Nostalgie, die an frühe Bonobo erinnert. Wie sein großer Vorgänger Aphex Twin findet er die perfekte Balance zwischen tanzbaren Rhythmen und emotionaler Tiefe. “Loner” erreicht jedoch nicht vollständig die Magie seines Debüts. Einige Tracks fühlen sich weniger charakteristisch an, und Introspektive geht manchmal zulasten direkter Wirkung. Dennoch bestätigt Mainnie seinen Status als interessante Stimme in der zeitgenössischen elektronischen Musik. (Anton Dupont) (8/10) (Ninja Tune)
Jethro Tull – Still Living in the Past
Fünfzig Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung erhält “Living in the Past” nun eine luxuriöse Wiederveröffentlichung. Diese Fünf-CD + Blu-ray-Box enthält Steven Wilson-Remixe, Demos und eine komplett neu gemixte Carnegie Hall-Aufnahme von 1970. Ian Anderson präsentiert einen Schatz an Material für echte Tull-Liebhaber. Wilsons Remixe geben Klassikern wie “Locomotive Breath” und “Bourée” neue Klarheit. Die Carnegie Hall-Aufnahmen zeigen die Band auf ihrem Höhepunkt, besonders das ausgedehnte “Dharma For One” demonstriert progressive Ambitionen. Problem: Dies bleibt Sammelwerk – “Sammelsurium” laut Kritikern. Für Neulinge kein idealer Einstiegspunkt, viele Bonus-Tracks finden wir bereits auf früher veröffentlichten Wiederveröffentlichungen. Die Produktionsqualität ist ausgezeichnet, aber der Mehrwert ist begrenzt, obwohl Massen von Wilson-Jüngern dem nicht zustimmen werden. Wie “Thick as a Brick” damals zeigt dies technische Kompetenz, aber vermisst den Fokus eines wirklich kreativen Statements. Für Komplettisten ein Muss, andere können den Luxus überspringen. Nostalgie dominiert Innovation in dieser umfangreichen, aber nicht essentiellen Wiederveröffentlichung von Prog-Pionieren. (Jan Vranken) (6/10) (Parlophone Records)
Jim Watson – Calling You Home
Dieses Album wird sich für Jim Watson tatsächlich wie ein Nachhausekommen anfühlen nach den zahlreichen Wanderungen, die er als Keyboarder in der Begleitung von unter anderem Sting, Manu Katche und Katie Melua unternahm. Auf “Calling You Home” bestimmt Watson völlig selbst, was gespielt wird. Teils sind das eigene Kompositionen, teils Covers. In der letzteren Kategorie ist zum Beispiel “The Weight”, der Klassiker von The Band, aber in der vollständig reduzierten Version von Watson – es ist nur das Klavier – wird viel mehr als im Original der Schwerpunkt auf die Melodielinie gelegt. Kennzeichnend für Watsons Klavierspiel ist die Leichtigkeit, die Verspieltheit, mit der er das Material angeht. Dabei wählt Watson erneuernde Interpretationen. Ein gutes Beispiel ist der Jazz-Standard “Bewitched, Bothered and Bewildered”: dieses Stück wurde unzählige Male gecovert, aber Watson gibt dem Stück einen leichtfüßigen, subtil romantischen Charakter mit. Neben den Covers und Jazz-Standards spielt der englische Pianist eigene Kompositionen. Auch darin lässt Watson sich nicht in Stil oder Genre beschränken: so gehen wir vom virtuosen Eröffnungstrack “Midge” zu einem mehr getragenen, dunklen Stück wie “Darkstar Sky”. Obwohl wir nur ein Klavier hören, können wir getrost feststellen, dass “Calling You Home” ein besonders reiches, vielfältiges Album ist. (8/10) (Jeroen Mulder) (Jim Watson)