Übersicht über die Albumrezensionen: Debby Friday, Carl Craig und mehr
|Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.
Barry Can’t Swim – Loner
Nach seinem hochgelobten Debüt “When Will We Land?” kehrt Joshua Mainnie mit einem introspektiveren und persönlicheren Ansatz zurück. Während sein erstes Album als kaleidoskopische Collage verschiedenster Einflüsse fungierte, taucht er auf “Loner” tiefer in seine eigene Gefühlswelt ein – nach einem Jahr rasanter Berühmtheit. Das Album beginnt mit “The Person You’d Like To Be”, einer traumhaften Synthese, die an die atmosphärischen Sequenzen von Massive Attacks “Teardrop” erinnert. Das zweite Kapitel, “Different”, zeigt Mainnies Entwicklung hin zu UK-Garage-beeinflussten Klängen, mit hypnotisierenden Polizeisirenen, die durch den Mix schweben. Das Highlight ist die Zusammenarbeit mit O’Flynn auf “Kimpton” – ein perfekt ausbalancierter Dance-Track, in dem sich Weltmusikelemente nahtlos mit moderner Clubästhetik verbinden. “All My Friends” markiert eine subtile Bewegung in melancholischere Gefilde, während “About To Begin” eine unwiderstehliche Club-Hymne ist, die sofort zum Tanzen einlädt. Den poetischen Schlusspunkt setzt “Wandering Mt. Moon”, ein zartes Stück, das mit bewegenden Streichern die Reise von Euphorie zu Besinnung abrundet. “Loner” beweist, dass Mainnie sowohl für die Tanzfläche um 3 Uhr morgens als auch für das einsame Hörerlebnis mit Kopfhörern schreiben kann. Ein selbstbewusstes, nuanciertes Folgewerk, das seine Position als unverwechselbare Stimme der elektronischen Musik festigt. (Anton Dupont) (8/10) (Ninja Tune)
Kebyart – Unraveled: Homage to Maurice Ravel
Das in Barcelona ansässige Saxophonquartett Kebyart wagt ein mutiges Experiment: Ravels Meisterwerke neu zu interpretieren für eine Instrumentenkombination, für die der Komponist nie geschrieben hat. Zum 150. Geburtstag Ravels im Jahr 2025 entwirrt das Ensemble dessen kompositorisches Erbe durch raffinierte Transkriptionen und inspirierende Neukompositionen. Im Mittelpunkt stehen intelligente Bearbeitungen von “Le Tombeau de Couperin” und “Pavane pour une infante défunte”. Kebyart gelingt es, diese bekannten Werke auf Saxophonen so natürlich klingen zu lassen, als wären sie ursprünglich für diese Besetzung geschrieben worden. Die Einzelstimmen erhalten eine farbenreiche, orchestrale Klangfülle, ohne Ravels harmonische Raffinesse zu verlieren. Die französische Barockmusik von Rameau liefert einen faszinierenden Kontext und zeigt Ravels Vorliebe für Verzierung. Zwei Auftragswerke bereichern das Programm: Mikel Urquizas “Les perfectibilités” erforscht feine rhythmische Schichtungen, während Joan Pérez-Villegas mit “Debout, Maurice!” eine spannungsgeladene Reflexion über Ravels Musikphilosophie liefert. Wie Ravels eigener “Boléro” steigern sich diese Werke zu einem überwältigenden Höhepunkt. Kebyart verbindet technische Virtuosität mit tiefer musikalischer Intelligenz. Ihre Version der Pavane ruft die gleiche melancholische Schönheit hervor wie Ravels Original für Klavier – jedoch mit dem warmen Klangspektrum, das nur Saxophone bieten können. (Jan Vranken) (9/10) (Linn Records)
Debby Friday – The Starr of the Queen of Life
Die nigerianisch-kanadische Künstlerin Debby Friday kehrt mit einem kaleidoskopischen zweiten Album zurück, das Erfolg zu ihren eigenen Bedingungen definiert. Nach ihrem mit dem Polaris Prize ausgezeichneten Debüt “Good Luck” von 2023 lotet sie auf “The Starr of the Queen of Life” die Extreme zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Hybris und Demut aus. In elf Songs zeigt Friday ihre chamäleonartige Stimmvielfalt – von der ätherischen Schönheit des melancholischen “Leave” bis zum lokomotivartigen Post-Punk von “Darker The Better”. Das Album spiegelt ihren Wunsch wider, ein “starrr” zu sein, ohne dabei jemandes Traum zu leben oder einem vorgezeichneten Pfad zu folgen. Fridays industrial-beeinflusster Sound springt zwischen den Genres wie eine moderne Version von Björks Eklektizismus. Titel wie “Leave” erinnern an die experimentelle Popmusik von FKA twigs, andere Momente wecken Assoziationen an Death Grips. Das Album wirkt wie ein musikalisches Tagebuch, in dem Friday all ihre Emotionen festhält. „Es geht darum, Zeichen zu sehen und Impulsen zu folgen, immer mit der Möglichkeit, in die Sonne zu fliegen oder zur Erde zurückzufallen“, so Friday in der Promonotiz. Auf diesem Album wagt sie tatsächlich den Sprung – im Vertrauen auf ihre eigenen Flügel, während sie dem Klang ihrer eigenen Stimme folgt. (Elodie Renard) (7/10) (Sub Pop)
Carl Craig – Desire: The Carl Craig Story
Dieser offizielle Soundtrack zur Dokumentation von Jean-Cosme Delaloye über den Detroiter Techno-Pionier Carl Craig bietet einen seltenen Einblick in die gesamte Spannweite seiner bahnbrechenden Karriere. Die Sammlung, veröffentlicht über sein eigenes Label Planet E Communications, enthält Musik aus seiner umfangreichen Diskografie – darunter auch Tracks, die bislang nie vollständig digital erschienen sind. Das Programm umfasst Craigs zahlreiche Aliase und Projekte – von dem hypnotischen “No More Words” bis zu Slams “Azure” in seinem meisterhaften C2-Remix. Die Auswahl zeigt sowohl sein technisches Können als auch seine Fähigkeit, emotionale Tiefe in elektronischer Abstraktion zu finden. “At Les” demonstriert sein feines Gespür für atmosphärischen Aufbau, während Psyche/BFCs “Galaxy” seinen Einfluss auf Ambient-Techno unter Beweis stellt. Unbestrittener Höhepunkt ist Innerzone Orchestras “Bug in the Bassbin” – ein Stück, das die Grenze zwischen Jazz-Fusion und Techno verwischt, vergleichbar mit den experimentellen Arbeiten von Squarepusher. Der Soundtrack zeigt, wie Craigs genreübergreifende Musik von Montreux bis in die Carnegie Hall gereift ist – klassische Konzertsäle auf der ganzen Welt hat er erobert. Nach 35 Jahren in der Musikbranche beweist diese Retrospektive, warum Craig nicht nur eine zentrale Figur der zweiten Generation von Detroit-Techno ist, sondern auch eine Brücke zwischen Underground und visueller Kunst schlägt. (Elodie Renard) (8/10) (Planet E Communications)
Gustave Casenave – Real
So kann es also auch gehen: Man stellt einen Flügel in einen großen Raum und lässt einen erfahrenen Pianisten darauf spielen. Keine Partitur, kein Konzept – einfach ein Mann und ein Klavier. Er spielt, was ihm in den Sinn kommt. Das Ganze wird aufgenommen und ohne jede Bearbeitung veröffentlicht. Auch keine zweite Takes. Man hört es so, wie es das erste Mal im Kopf von Gustave Casenave entstanden ist. Der Flügel stand im Faro House Studio in José Ignacio – einst ein idyllisches Fischerdorf in Uruguay, heute ein Hotspot à la Monaco mit Yoga-Studios, Cocktailbars und Edelrestaurants. Es gibt wenig “real” in José Ignacio – und doch, vielleicht gerade deshalb, inspirierte der Ort drei völlig improvisierte Stücke, die volle Aufmerksamkeit verlangen, um ihre Tiefe zu erfassen. Das erste Stück, “Instinct”, ist eine knapp 40-minütige Reise durch Casenaves musikalisches Gehirn – stilistisch, emotional und atmosphärisch abwechslungsreich. Mal melancholisch, mal verspielt, stets virtuos. Das trifft auch auf das kürzere, temporeichere “Spark” (acht Minuten) zu, das eine schöne Brücke zum letzten Stück “Mirror” (24 Minuten) schlägt – ebenfalls facettenreich, mit zarten Melodien und wild anmutenden Akkorden. In allen drei Werken hört man einen begnadeten Pianisten und dreifachen Grammy-Gewinner. Technisch ist das nahezu perfekt – kaum zu glauben, dass es komplett improvisiert ist. Anspruchsvoll, aber lohnenswert. (Jeroen Mulder) (7/10) (Gustave Casenave)