Figi – Blod Sved og Handling
Die besten musikalischen Entdeckungen sind oft die, die man nicht kommen sieht. Mitten in einer Binge-Session von Netflix’ dänischem Krimi-Thriller ‘Legenden’ (international: “The Asset”) stach ein Track durch die Spannung hindurch. Nicht aufdringlich, aber mit einem Flow, der hängenblieb. ‘Tør Dem Af’ von Figi. Ein Name, der mir wenig sagte, trotz einer recht gut gefüllten mentalen Datenbank der dänischen Hip-Hop-Szene. Eine schnelle Recherche ergab: Am 31. Oktober 2025 – strategisch geplant oder perfekt zeitlich mit der Veröffentlichung der Serie am 27. Oktober abgestimmt – veröffentlichte sie “Blod Sved og Handling” über das obskure Label Trackbunker. Neun Tracks, 22 Minuten, und nahezu keine Presse. Genau die Art Underground-Veröffentlichung, für die Musikjournalisten leben.
Ob “Blod Sved og Handling” (Blut, Schweiß und Tat) nun ein vollständiges Album oder eine strategische EP ist, hängt davon ab, wie starr man Klassifikationen hält. Im Jahr 2025, in dem Aufmerksamkeitsspannen schrumpfen und Playlists regieren, wirken 22 Minuten genau richtig. Doch das Timing wirft Fragen auf: Nutzt Figi clever die Netflix-Publicity, oder war die Serie-Sync einfach ein glücklicher Zufall? Fie Schütt Hallberg, die Frau hinter dem Pseudonym, wurde 2023 von Warner Music Denmark gesignt, nachdem sie jahrelang Underground-Respekt durch Bars-Videos und Cypher-Auftritte aufgebaut hatte. Dass eine Künstlerin mit Major-Label-Unterstützung über Trackbunker veröffentlicht, ein Label, das so obskur ist, dass Google aufgibt, sagt einiges. Vielleicht über kreative Kontrolle. Vielleicht über realistische Erwartungen. Vielleicht beides.
Was an “Blod Sved og Handling” sofort auffällt, ist die klare Referenz an die frühen Neunziger. Nicht der rohe Boom-Bap, den jeder nostalgische Rapper heutzutage beansprucht, sondern die melodische, soulvolle Seite dieser Ära. Man hört TLC-Vibes aufblitzen, diese Kombination aus R&B-Glätte und Hip-Hop-Kante, die die Neunziger so zugänglich machte. Es ist ein kluger Schachzug, denn Figis größte Waffe ist ihr Flow. Er ist so natürlich, so in der Tasche, dass man ihr problemlos folgen kann, ohne ein Wort Dänisch zu verstehen. Universeller Groove überwindet Sprachbarrieren, und das ist selten.
Das Album beginnt mit “ALFA”, auf dem Pede B mitwirkt, in Dänemark so etwas wie ein Rakim-Co-Sign. Der dreifache MC’s Fight Night-Gewinner verleiht sofortige Glaubwürdigkeit. Aber auf dem Rest des Albums muss Figi für sich selbst stehen, und dort wird die Geschichte nuancierter. ‘Tør Dem Af’, der Netflix-Track, funktioniert, weil er genau das tut, was er tun soll: Stimmung erzeugen, ohne zu dominieren. Doch wenn Figi auf “Flab”, dem längsten Track mit 3:38, versucht, streetwise und OG zu klingen, scheitert sie. Es gibt einen Unterschied zwischen Bars über die Straße schreiben und die Straße tatsächlich verkaufen. Figis Stärke liegt nicht in glaubwürdiger Härte; es fühlt sich an, als spiele sie eine Rolle, die nicht zu ihr passt.
Zum Glück hat das Album einen Höhepunkt: “Rutine”. Das ist Figi von ihrer besten Seite. Sprudelnde Beats, minimale Produktion, die Raum für diesen unverwechselbaren Flow lässt. Moderne Kadenz, ohne die Neunziger-Wurzeln zu verleugnen. Es ist der Typ Track, der frustriert, weil man das Potenzial hört. In den richtigen Händen, mit größerem Produktionsbudget und mehr A&R-Begleitung hätte “Rutine” durchbrechen können. Jetzt fühlt es sich wie eine Demo dessen an, was sein könnte.
Die dänische Hip-Hop-Szene hat schon immer ein interessantes Gleichgewicht zwischen technischer Fähigkeit und kommerzieller Zugänglichkeit gehabt. Während Gilli Stadien füllt und Tessa bewies, dass weibliche Rapper Mainstream gehen können, operieren Künstler wie Figi in diesem Mittelfeld. Sie hat die Skills, ihr Ruf als ‘barsskriver med stort B’ (wie Process Podcast sie nannte) ist verdient. Sie schreibt ihre Texte von Hand, ein fast romantisch altmodischer Ansatz im Zeitalter von iPhone Notes und Voice Memos. Das Pede B-Feature auf “ALFA” platziert sie in einer spezifischen Tradition: der technisch versierten, textzentrierten Rapperin, die Respekt verdient, aber vielleicht nie Streamingzahlen erreicht. Es ist keine Schande; es ist eine Nische. Doch mit Tracks wie “Rutine” zeigt sie, dass sie mehr zu bieten hat als nur Underground-Respekt.
“Blod Sved og Handling” ist letztlich ein frustrierendes Hörerlebnis, aber nicht auf schlechte Weise. Es ist frustrierend, weil man hört, worin Figi gut ist: der Flow, die Neunziger-Soul-Vibe, das natürliche Pocket, aber auch, wo sie noch nachlässt. Die Versuche, Härte auf “Flab” zu zeigen, sind nicht überzeugend. Die Produktion ist manchmal zu minimal, wo ‘less is more’ zu ‘less is just less’ wird. Aber dann ist da “Rutine”. Und ‘Tør Dem Af’, das Netflix-Zuschauer erreicht. Und das Pede B-Co-Sign. Das sind Bausteine. Der Albumtitel, Blut, Schweiß und Tat, wirkt programmatisch. Das ist eine Künstlerin, die arbeitet, lernt, wächst. Ob das in einem Markt, der sofortige Ergebnisse verlangt, genug ist? Das ist eine andere Frage. Für wen ist dieses Album? Für Leute, die die dänische Szene verfolgen? Für TLC-Nostalgiker, die moderne Beispiele suchen? Für alle, die Tracks wie “Rutine” schätzen? Für den durchschnittlichen Streamer? Wahrscheinlich nicht. Und vielleicht ist das auch okay. (7/10) (Trackbunker)

