Simply Red – Recollections

Es ist unbestreitbar der Segen des erneuten Interesses an physischen Medien, wie CDs und natürlich Vinyl: Platten, die zum Jubiläum in luxuriösen, erweiterten Versionen neu aufgelegt werden, wofür Fans das Sparschwein zerschlagen müssen, besonders in der Weihnachtszeit. Wir werden buchstäblich mit Re-Releases überschwemmt; mit Master-Aufnahmen, Dolby Atmos-Editionen, Extended- und Enhanced-Versionen. Manchmal fügen diese Neuauflagen wirklich etwas hinzu, aber meist sind sie nur für den Hardcore-Fan interessant. Vorurteil: Mit diesem “Recollections” von Simply Red wird es vermutlich nicht anders sein. Vierzig aufpolierte Tracks, darunter die größten Hits, um das vierzigjährige Jubiläum dieser britischen Formation um Sänger Mick Hucknall zu feiern.

Doch damit wird dieser Veröffentlichung viel zu wenig gerecht. Es geht hier nicht nur darum, die Originalaufnahmen aufzupolieren, sondern um vierzig neu aufgenommene Tracks. Komplett nach den eigenen Bedingungen der Band, was auch mit den Rechten an den Master-Aufnahmen zu tun hat: ein ‘Taylor Swift-Move’. Die Songs gehören mit dieser Veröffentlichung der Band und den Fans, wie Hucknall selbst in einem Interview sagte. Laut dem rothaarigen Ikon schließt die Band damit ‘full circle’: Die Neuaufnahme erlaubt es der Band zu zeigen, wie sich der Sound von Simply Red über vier Jahrzehnte entwickelt hat.

Natürlich fällt zuerst Hucknalls Stimme auf: Der Mann ist inzwischen 65, aber seine Stimme klingt noch genau wie vor vierzig Jahren. Vielleicht ist hier und da etwas mehr Sand in den Stimmbändern, aber in Bezug auf Reichweite und ‘Soul’ hat die Stimme keinen Millimeter eingebüßt. Beeindruckend, nichts weniger. Außerdem liefert Produzent und Hucknalls langjähriger Weggefährte Andy Wright eine Spitzenproduktion, indem er die Atmosphäre der Originalaufnahmen als Ausgangspunkt nimmt. Das hört man besonders bei den Tracks, die ursprünglich auf dem Debütalbum “Picture Book” standen. Die Seele dieses Albums ist bewahrt.

Können wir zuerst eine stehende Ovation für “Holding Back the Years” geben? Denn, wow, dieser Track kriecht unter die Haut. Es gibt nur kleine Nuancenunterschiede zwischen dieser Version und dem Original von 1985, aber das minimale Auffrischen wirkt. Das Arrangement ist etwas subtiler, wodurch die Vocals etwas mehr in den Vordergrund treten. Man merkt, dass Hucknalls Stimme erfahrener klingt, buchstäblich mehr Soul hat, was zu diesem frühen Material perfekt passt.

Natürlich: Dies ist ein ‘Best of’. In vierzig Tracks wird uns die Geschichte von Simply Red präsentiert, einschließlich “Stars”, “Something Got Me Started” und “Fairground”, um nur einige zu nennen. In dieser Hinsicht ist die Milchkuh bereits stark ausgebeutet mit “The Greatest Hits” von 2012 und “Song Book 1985-2010” von 2013. Verschiedene Live-Compilations und Remasters lassen wir außen vor. Die Frage ist berechtigt: Fügt “Recollections” noch etwas hinzu?

Doch ja: Für Fans wird es eine Freude der Wiedererkennung sein, für Neueinsteiger ein besserer Einstieg als die genannten Kompilationen des alten Materials. Denn dies ist eine viel bessere Produktion: Der Sound ist klar, detailreich, mit viel mehr Tiefe und damit Wärme. Keine radikalen Änderungen, aber eine Bestätigung des Erbes. Simply Red erinnert uns daran, dass gute Songs nicht altern; sie werden erneut gehört, erneut erlebt, erneut mit Zeit und Publikum verbunden. So betrachtet ist dieses Album eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen dem Fan von 1985 und dem Hörer von 2025.

Vierzig Songs neu aufzunehmen ist keine Kleinigkeit: Das macht man nur, wenn man ein Statement setzen will. Wie viel einfacher wäre es gewesen, die Originalaufnahmen dieser vierzig Tracks einfach abzustauben und neu herauszubringen? Zu einfach. Wenn man eine der beliebtesten Bands der britischen Popgeschichte ist, mit über sechzig Millionen weltweit verkauften Alben, darf man ruhig etwas Aufwand betreiben, um ein besonderes Fest zu seinem vierzigsten Geburtstag zu machen. Das ist gelungen. (8/10) (simplyred.com)

Change consent