Steve Vai – Inviolate
|Als 18-jähriger Jugendlicher geriet der Musiker ins Rampenlicht, als er von keinem Geringeren als Frank Zappa als Transkriptor engagiert wurde, um die Musik des Maestro und seiner Band zu transkribieren. Augenblicke später schloss er sich Zappas Band an, die ihn liebevoll als „Stuntgitarrist“ bezeichnete. Mit „Inviolate“ liefert Gitarrist Steve Vai bereits sein zehntes Soloalbum ab.
Steve Vai ist als technisch sehr fortgeschrittener und talentierter Gitarrist bekannt, zu dem alle Mädchen und Jungen aufschauen, die das edle Instrument beherrschen wollen. Der Mann hat vor allem in der Rocksprache eine enorme Erfolgsbilanz aufgebaut. Er spielte in David Lee Roths Band Whitesnake, wo er den verletzten Ad Vandenberg mit Bravour ersetzte, und kurzzeitig als Nachfolger von Yngwie Malmsteen in der Band Alcatrazz. Dann hat man eine Idee, in welcher Ecke man danach suchen muss, wenn der Name nicht die Alarmglocken schrillt.
1990 veröffentlichte Vai sein zweites Soloalbum Passion and Warfare und etablierte seinen Namen als Gitarrengott für immer. Dass der Mann etwas ganz Besonderes sein könnte, liegt an der Anekdote, dass er sich für das Lied „For the love of God“ entschied, zehn Tage zu fasten, und dass er das Lied am vierten Tag des Fastens aufnahm. Was auch immer. Tatsache ist, dass Vai einer der einflussreichsten Musiker seiner Generation ist, und allein schon deshalb wird es interessant sein zu hören, wie sein neues Album ist.
‘Inviolate’ hat 9 Titel und erreicht die klassische LP-Länge von etwas mehr als einer Dreiviertelstunde. Ein erster Dreh lässt den Schluss zu, dass er mit diesem Album an die Produktionsperfektion von ‚Passion and Warfare‘ heranreicht. Das Stück klingt himmlisch. Das ist das Ergebnis monatelanger Arbeit als Einsiedler an einem solchen Album, und Sie wissen tatsächlich, wozu all diese Knöpfe da sind.
Musikalisch überrascht das Album durchaus. Vai entfernt sich immer weiter von Metal und Rock und tendiert immer mehr in Richtung Jazz-Fusion. Nehmen Sie einen Track wie ‘Little Pretty’. Hier hören wir Vai zum ersten Mal eine Hollowbody-Gretsch spielen, eine typische Jazzgitarre. Typisch Vai soliert er über seine sich ständig ändernden harmonischen Strukturen. Natürlich hört man, dass die Gretsch anders klingt, aber Vai hat sich das Instrument ganz zu eigen gemacht. Mehr Fusion geht nicht, und auch dank Vai hat der Hollowbody eine neue Anwendung gefunden, die „Rock around the clock“ weit hinter sich lässt.
Das Album ist voll von technischen und musikalischen Highlights. ‘Candlepower’ hat das größte Potenzial, Menschen dazu zu bringen, ihren Unterkiefer auf den Tisch fallen zu lassen. Der Song ist zu einem wahren Schaufenster dafür geworden, wo Vai in seiner musikalischen Entwicklung jetzt steht. Meilen über Normalsterblichen. Melodielinien werden von brillanten Riffs und Licks durchzogen. Hätte jemand wie Wolfgang Amadeus Mozart so klingen können, wenn er die technischen Fähigkeiten gehabt hätte, die Vai damals hat? Ein verlockender Gedanke. Auf diesem Track demonstriert Vai eine neue Technik des „Joint Shifting“, bei der er mehrere Saiten gleichzeitig biegen kann, aber in entgegengesetzte Richtungen. Siegfried & Rot hatten damit nichts zu tun.
Zusammenfassend ist „Inviolate“ das beste Album, das Vai seit „Passion and Warfare“ vor mehr als 30 Jahren veröffentlicht hat. Eine neue Generation von Mädchen und Jungen wird den Mann auch weiterhin anbeten, als wäre er ein auf die Erde herabgestiegener griechischer Gott. Als Meisterwerk gilt das Album dennoch nicht, obwohl es dem sehr nahe kommt. Die Innovation liegt mehr in der Technologie als in der Musik, und das ist sehr clever, aber ein sofortiges Meisterwerk? Es braucht nur ein bisschen mehr. Ich würde gerne wissen, wie sich dieses Material in einem Live-Setting mit einem Jimmy Haslip am Bass verhält, oder würde er trotzdem einen Billy Sheehan wählen? Ein William Kennedy am Schlagzeug oder Simon Philips? Es wird trotzdem ein schöner Abend. (8/10) (Favored Nations/Mascot Label Group)