L.A. Edwards will mit „Pie Town“ auch Europa überraschen
|L.A. Edwards brachte letztes Jahr das Album „Out of the Heart of Darkness“ heraus. Und nun gibt es bereits einen Nachfolger: „Pie Town“. Die selbsternannte „just a hard working American band“ wird bald „den großen Teich“ überqueren für ihre ersten Headliner-Shows in Europa. Genug Stoff für ein offenes Gespräch mit Luke Andrew Edwards persönlich.
Die neun Stunden Zeitunterschied zur Westküste Amerikas sind leicht zu überbrücken. „Ich habe gerade meine Kinder zur Schule gebracht und habe jetzt alle Zeit für ein Gespräch.“ Luke sieht frisch und munter aus, um 8 Uhr morgens, irgendwo in Seattle… Um gleich zur Sache zu kommen, beginnen wir mit dem schnellen Nachfolger von „Out of the Heart of Darkness“. „Das war nicht so geplant“, beginnt er fast entschuldigend. „Nein, wir haben es sicher nicht erzwungen, trotz aller Müdigkeit nach einer intensiven Tour. Aber die Songs kamen einfach schnell und leicht. Also: warum nicht?“
Obwohl „Out of the Heart of Darkness“ und das neue „Pie Town“ zeitlich dicht beieinanderliegen, gibt es doch deutliche musikalische Unterschiede. „Die Instrumentierung ist wirklich anders. Für „Pie Town“ haben wir mehr Synthesizer verwendet. Damit hatten wir zwar schon früher angefangen, aber wir haben die Synths jetzt mehr in das Songwriting integriert. Es ist nicht mehr nur eine Füllung oder so. Auch die Texte haben wir anders angegangen. Ich habe jetzt bewusst mehr Raum für den Hörer gelassen. Also weniger Storytelling und mehr eigene Interpretation.“
Um „Pie Town“ und auch die ganze Entwicklung von L.A. Edwards zu verstehen, ist es gut, einen Schritt zurück zu machen. Wir gehen zurück in die Zeit, als Luke Teil einer großen Familie mit sieben Kindern war. „Wir alle liebten wirklich Musik. Von klein auf habe ich mit meinen Brüdern, Jesse und Harrison, Musik gemacht. Ich liebte besonders Rock, mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Aber es wurde auch klassisches Klavier gespielt. Aber wir dachten nie in Schubladen, in Genres oder so. Dagegen sind wir ein bisschen allergisch. Wir spielten, was uns gefiel.“
Trotz der Anwesenheit seiner musikalischen Brüder („Meine Schwestern lieben auch Musik, aber sie haben keine musikalische Karriere eingeschlagen…“), ging Luke trotzdem alleine an den Start. „Ich hatte zunächst überhaupt nicht vor, etwas auf Platte zu bringen. Ich wollte nur Songs schreiben und aufnehmen. Und auch alle Instrumente selbst spielen.“ Er klingt immer noch stolz auf die Zeit, bevor die erste Platte tatsächlich erschien: die EP „Secrets We’ll Never Know“ aus dem Jahr 2015. Luke spielte seine Instrumente in der Garage, „wo meine Brüder Jesse und Harrison natürlich auch mal hereinschauten… Und jetzt sind sie Teil der Band“. Respektive als Bassist und Schlagzeuger. Das jetzige Quintett besteht außerdem aus Daniel Walker und Hunter Rath, die sich auf Synthesizer, Samples und Drum Machines spezialisiert haben. Und mittlerweile sind drei vollständige Alben erschienen. Mit dem vierten, „Pie Town“, in der Warteschleife. „Der Sound ist immer größer geworden, aber die Alben gehen meiner Meinung nach definitiv auf natürliche Weise ineinander über. Ich mag es, wenn jedes Album wieder etwas anders klingt, auf eine andere Weise produziert ist.“ Apropos Produktion: Für „Pie Town“ übernahm er diese wieder komplett in eigener Hand, wie in den Anfangszeiten. Aber für „True Blue“ (2018) wollte Ron Blair das gerne machen, sein Kumpel bei Tom Petty and The Heartbreakers. Eine Band, mit der Luke immer sehr eng verbunden war. „Ron und sein Bandkollege Steve Ferrone haben auch bei „Blessings from Home“ (2021) mitgespielt.“
Der Künstlername, L.A. Edwards, wurde sehr bewusst gewählt. „L.A. ist abgeleitet von Luke Andrew, meinem vollständigen Namen. Und so geschrieben, sieht es ein bisschen aus wie der Name eines Autors, wie J.K. Rowling. In meinen frühen Tagen als Singer-Songwriter fand ich, dass das sehr schön klang und auch sehr passend war. Seit wir eine echte Band sind, habe ich überlegt, etwas dem Namen hinzuzufügen, aber ich habe es so gelassen. Also kein L.A. Edwards and the Heartbreakers oder the E-Street Band…
Da wir gerade von Namen sprechen… Das Album „Pie Town“ ist nach einem sehr kleinen Weiler im US-Bundesstaat New Mexico benannt. Eine Geisterstadt, bekannt für ihre Torten… „Es ist inspiriert von dem Ort, wo wir aufgewachsen sind. Und das ist eigentlich nicht Pie Town, sondern ein Ort, der ihm sehr ähnelt: Julian, Kalifornien. Auch ein Weiler, irgendwo in den Bergen bei San Diego. Gegründet um eine Goldmine. Und, wie Pie Town, jetzt berühmt für seine Torten…“ Aber Luke geht es mehr um das „Gefühl“ als um die „Torte“. „Ich liebe das „Geisterstadt-Gefühl“. Wie man auch im Artwork sehen kann. Und es passt zu dem Album, das vom Verlust der Unschuld handelt. Oder von der Angst, erwachsen zu werden. Dann kehrt man von selbst in seine eigene Kindheit zurück.“ Luke ist jetzt 36 und hat inzwischen selbst eine große Familie. „In dieser Lebensphase denkt man mehr über seine Beziehung, das Aufwachsen der Kinder und somit auch über sich selbst nach. Vor etwa zehn Jahren hätte ich dieses Album nicht machen können. Damals hatte ich noch nicht den Überblick.“ Diese Lebenserfahrung lieferte jedenfalls zwölf Songs für „Pie Town“. Zwölf recht unterschiedliche Songs. „Wenn du einen guten Querschnitt haben willst, hör dir besonders „El Camino“ und den Schlusstitel „Comin’ Around“ an. Obwohl es auch einige langsamere Stücke gibt.“
Inzwischen lebt niemand mehr in Kalifornien, der Wiege der Band. Luke lebt in Seattle, wo „Pie Town“ im Road End Studio aufgenommen wurde. „Die anderen wohnen jetzt in Nashville, wo ich auch noch gelebt habe. Nashville hat großen Einfluss auf unsere Musik gehabt. Es ist immer noch „the music city“ mit all seinen Songwritern. Wir haben dort sicherlich Dinge aufgegriffen, ihnen aber auch eine eigene Note gegeben. Wir sind nicht so puristisch Nashville Americana, sozusagen. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man bei unserer Musik immer noch ein „California Feeling“ bekommt.“
Kalifornien, Nashville… Wie amerikanisch ist L.A. Edwards für einen durchschnittlichen Europäer? Luke lacht: „Wir sind 100 % amerikanisch. Unsere Wurzeln, unsere Einflüsse, kommen von den großen amerikanischen Musikern wie Tom Petty und Bruce Springsteen. Nicht, dass wir keine europäischen Einflüsse haben. Wir lieben auch The Beatles und The Stones. Ich denke sogar, dass die Einflüsse auf dem letzten Album eher europäisch sind, wie U2 und einige Post-Punk-Bands. Aber im Kern sind wir definitiv just a hard-working American band.“
Eine amerikanische Band also… die bald auf Tour geht in Frankreich, Deutschland, Schweden und den Niederlanden. „Wir haben uns in Europa immer willkommen gefühlt. Die Leute hören dort anders zu. Hier wird alle songbasierte Musik mit einer akustischen Gitarre schnell als Americana bezeichnet. Bei euch scheint man mit einer offeneren Einstellung zuzuhören, ohne Vorurteile oder bestimmte Erwartungen. Aus diesem Grund freuen wir uns sehr, dort spielen zu können. Und es wird unsere erste Headlining-Tour dort sein. Das ist spannend, aber wir freuen uns sehr darauf.“ L.A. Edwards will mit „Pie Town“ offenbar auch Europa überraschen…
Fotos (c) Lauren Farah