Übersicht über die Albumrezensionen: The Pretenders, Joshua Redman und mehr

Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.

Foto (c) Jorge Fakhouri

The Pretenders – Kick ‘Em Where It Hurts!

Nach mehr als vier Jahrzehnten an der Spitze der Rockwelt zeigen Chrissie Hynde und The Pretenders, dass Erfahrung und Verspieltheit Hand in Hand gehen können. “Kick ‘Em Where It Hurts!” ist ein Live-Album, das während der Theater-Tour der Band 2024 aufgenommen wurde, und das Ergebnis ist eine intime Momentaufnahme einer Band, die noch immer hungrig nach musikalischer Verbindung ist. Die Wahl von Theatern statt Arenen erweist sich als Goldgriff. Hynde erklärte 2024: “Clubs and theaters are better venues for the audience and for the band”, und diese Philosophie strahlt durch jeden Track. Die 17 Titel umfassende Sammlung balanciert mühelos zwischen klassischen Hits und tieferen Schnitten aus dem reichen Katalog der Band. Das Auffälligste an dieser Live-Aufnahme ist, wie frisch bekannte Songs wie “Talk of the Town” und “Back on the Chain Gang” noch immer klingen. Hyndes Stimme hat noch immer diese charakteristische Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke, die The Pretenders so unverwechselbar machte. Die Begleitband, insbesondere Gitarrist James Walbourne, liefert straffe Musik, die die Songs unterstützt, ohne sie zu überschatten. Die Album-Höhepunkte liegen in den weniger bekannten Tracks. “The Losing” von 2002 erhält neue Dringlichkeit im Live-Setting, während “Private Life” vom Debütalbum beweist, warum The Pretenders so einflussreich für die New-Wave-Bewegung waren. “Biker” von 1999 zeigt Hyndes Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, die sowohl persönlich als auch universal sind. Eine kleine kritische Anmerkung: einige Songs fühlen sich durch die Jahre etwas abgenutzt an. Das Energielevel schwankt manchmal, was Live-Aufnahmen inhärent ist, aber beim wiederholten Hören auffällt. Auch hätte eine etwas ausgewogenere Setlist – weniger Hits, mehr Raritäten – das Album für echte Fans noch interessanter machen können. “Kick ‘Em Where It Hurts!” ist kein revolutionäres Album, aber eine herzerwärmende Erinnerung daran, warum The Pretenders einen solchen Heldenstatus haben. Es ist ein Album, das beweist, dass Authentizität und Handwerkskunst zeitlos sind. Für Fans ist es ein Muss; für Neuankömmlinge eine exzellente Einführung in eine der größten Bands des Rock. (Jan Vranken) (7/10) (Chrissie Hynde)

Tropical Fuck Storm – Fairyland Codex

Tropical Fuck Storms viertes Album ist ein sonischer Wirbelsturm, der gesellschaftlichen Zusammenbruch mit chaotischer Präzision dokumentiert. Die australischen Experimentalisten, entstanden aus The Drones, haben bei Fire Records ein Album geschaffen, das sich wie eine Audio-Dokumentation über eine Zivilisation im Verfall anfühlt. “Irukandji Syndrome” eröffnet explosiv: eine Geschichte über Seefahrt, die in eine Begegnung mit einer warnenden Riesen-Qualle übergeht. Gareth Liddiards Gesang wechselt zwischen Flüstern und Schreien, unterstützt von Fiona Kitschins kinetischem Bass. “Goon Show”, die zugänglichste Single, zeigt, wie experimenteller Rock melodisch bleiben kann, ohne Intensität zu verlieren. Der acht Minuten dauernde Titeltrack markiert den Höhepunkt: von akustischer Introspektion zu explosivem Klimax, mit “A village in hell is waiting for you” als prophetischem roten Faden. Musikalisch springen sie mühelos zwischen Genres – “Bloodsport” klingt wie Surf-Rock via David Lynch. Kritik: das Album fühlt sich super-komprimiert an mit hämmerndem Druck, der kaum nachlässt. Mehr Atemraum hätte der emotionalen Katharsis größere Wirkung verliehen. Eine Freakshow mit ernsthaftem Herzen, die fragt, ob Musik in Krisenzeiten von Bedeutung ist, und die die Band mit einem donnernden “Ja” beantwortet. (Anton Dupont) (8/10) (Fire Records)

Joshua Redman – Words Fall Short

Joshua Redmans zweites Blue Note Album stellt sein neues Quartett mit Pianist Paul Cornish, Bassist Philip Norris und Schlagzeuger Nazir Ebo vor. Nach dreißig Jahren beweist der Saxophonist, dass Erneuerung und Tradition ausgezeichnet zusammengehen. “A Message to Unsend” eröffnet mit delikater, klassisch beeinflusster Essenz, die Redmans kompositorische Reife zeigt. Es entfaltet sich meditativ in komplexen 7/8- und 7/4-Taktarten, aber die Band lässt es natürlich wirken. Der absolute Höhepunkt ist “So It Goes” mit Gastauftritt von Melissa Aldana. Ihr Saxophon-Dialog zeigt Jazz von seiner besten Seite: individuelle Exzellenz, die zu etwas Größerem zusammenfließt. “Icarus” mit Trompeterin Skylar Tang beweist Redmans Blick für junge Talente – sie hatte die Musik in einer Nacht auswendig gelernt. Der Titeltrack und die Ballade “Borrowed Eyes” haben dieses typische “durch die Wolken schweben”-Gefühl des besten Mainstream-Jazz: zugänglich, aber niemals oberflächlich. Das neue Quartett bringt frische Energie, während Redman seine Vision klar kommuniziert. Das Album spielt jedoch manchmal zu sicher. Mehr Risiken, wie in seinem vorherigen Werk “where are we”, hätten ihm eine modernere Schärfe gegeben. Ein erwachsenes, raffiniertes Album, das beweist, warum Redman einer der wichtigsten Saxophonisten seiner Generation ist. (Jan Vranken) (8/10) (Blue Note Records)

Benson Boone – American Heart

Benson Boones zweites Album wurde in nur 17 Tagen geschrieben, und diese Eile ist leider merkbar. Nach dem Monsterhit “Beautiful Things” steht er vor der Herausforderung zu beweisen, dass er mehr als ein Eintagsfliege ist, aber “American Heart” versagt dabei, eine überzeugende musikalische Identität zu schaffen. Das Album eröffnet stark mit “Sorry I’m Here for Someone Else”, einer Stadionrock-Hymne, die Boones stimmliche Reichweite nutzt. “Mr Electric Blue” kombiniert ELO-Nostalgie mit einer aufrichtigen Hommage an seinen Vater, während “Momma Song” Verletzlichkeit zeigt – obwohl durch Überproduktion untergraben. Das Problem liegt nicht bei Boones beeindruckender Stimme, sondern beim Songwriting, das Effekt über Substanz stellt. “Mystical Magical” ist zu kitschig und unüberzeugend, “Man in Me” verwendet zu viele Pop-Tricks. Wo “Beautiful Things” rohe Emotion hatte, fühlt sich dieses Album durch Fokusgruppen gefiltert an. Die sterile Produktion und erzwungene patriotische Thematik passen nicht zu einem Künstler, der noch nach seiner eigenen Stimme sucht. Die 30-minütige Spielzeit deutet darauf hin, dass Qualität für Geschwindigkeit geopfert wurde. Ein Album, das Boones Talent zeigt, aber nicht die künstlerische Reife, es optimal zu nutzen. Fans seines Hits werden enttäuscht sein; andere sollten besser auf Album drei warten. (William Brown) (4/10) (Night Street/Warner Records)

Mason Jennings – Magnifier

Mason Jennings kehrt mit seinem 20. Studioalbum zurück, solo in seiner Hütte am See in Minnesota aufgenommen mit nur Gesang, Akustikgitarre, Klavier, Bassdrum und Snare. Diese Rückkehr zur Essenz zeigt Jennings an seinem minimalsten und ehrlichsten Punkt. “Castles” eröffnet als Tribut an Fantasiewelten, die Kinder erschaffen, um Schwierigkeiten zu überleben. Fingerpicking-Gitarre und sanftes Klavier schaffen den intimen Raum, in dem Jennings exzelliert. “Joy in the Face of It All”, der zuerst geschriebene Song, fungiert als Statement zur aktuellen Weltlage – eine Ode an Demokratie und Liebe ohne predigende Töne. “Don’t Change” ist ein zartes Liebeslied für seine Frau und seinen dreijährigen Sohn, eine Meditation über das Festhalten am Wichtigen. Der dunkelste Moment kommt mit “Blood Red Sun”, wo seine Liebe zu Heavy Metal und Western in einer Geschichte über einen Flüchtling zusammenfließt – Spannung durch Andeutung statt Explizitheit geschaffen. Jennings’ Philosophie strahlt durch jeden Song: “Ein Song ist wie ein Boot auf dem Wasser. Du versuchst, es mit so wenigen Teilen wie möglich zum Schwimmen zu bringen.” Ein kleines Meisterwerk, das beweist, dass Minimalismus in den richtigen Händen kraftvoller ist als jeder Produktionstrick. Für Liebhaber authentischer Folk-Musik ist dies essentielles Hörmaterial. (Anton Dupont) (8/10) (Loosegroove Records)

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