Big Special – National Average

Das Birmingham-Duo Big Special beweist mit ihrem zweiten Album “National Average”, dass Erfolg nicht schwächen muss, im Gegenteil, er hat ihre Perspektive nur geschärft. Noch im vergangenen Mai 2024 standen Joe Hicklin und Callum Moloney vor einer Handvoll Menschen im kleinen Saal des Effenaar in Eindhoven. Nun, mit ihrem zweiten Album “National Average”, reflektieren sie über eine Reise, die sie von dieser intimen Umgebung zum O2 Forum Kentish Town geführt hat. Es ist genau diese Transformation – von der Unbekanntheit zur Anerkennung, von finanziellen Sorgen zur ‘got out guilt’ –, die den Kern dieser faszinierenden Fortsetzung ihres hochgelobten Debüts “Postindustrial Hometown Blues” bildet.

Während ihr Debütalbum von 2024 hauptsächlich roh und ungehemmt wirkte, zeigt “National Average” eine Band, die ihre emotionalen Register besser zu beherrschen gelernt hat. Die emotionalen Verschiebungen sind raffinierter als auf dem Debüt, und das ist sofort hörbar. Das Album öffnet mit derselben Intensität, die wir von Big Special kennen, aber es gibt nun mehr strategischen Aufbau in den Songs. Joe Hicklin bleibt der magnetische Frontmann, der seine Poesie schreit, als hinge sein Leben davon ab, aber seine Stimme hat neue Nuancen gewonnen. Der harte Midlands-Akzent, der auf dem Debüt so effektiv war, wird nun mit Momenten der Verletzlichkeit abgewechselt, die tiefer treffen als zuvor. Die Band jammte und jammte, bis alles so schnell und einfach zusammenkam – diese Spontaneität ist noch immer spürbar, wird aber nun von durchdachteren Arrangements unterstützt.

Das Albumkonzept ist ebenso klug wie schmerzhaft erkennbar. “Die erste Hälfte des Albums handelt von Ehrgeiz, man kann das Selbstvertrauen darin hören, sogar ein wenig Gerissenheit”, erklärt Hicklin. “Die zweite Hälfte handelt davon, über das zu reflektieren, was passiert ist, wie sich alles verändert hat. Man muss ehrlich über die Dunkelheit sein.” Diese Zweiteilung funktioniert brillant. Die Eröffnungstracks sprudeln vor Selbstvertrauen und Ehrgeiz, wobei die Basslinien wie Bombardements dröhnen und die Hooks sich tief in das Gedächtnis graben. Auf halber Strecke schlägt der Ton zu etwas Introspektiverem um, wobei Schuldgefühle über den Erfolg und existenzielle Fragen über Identität und Authentizität die Oberhand gewinnen. Es ist ‘eine ehrliche Darstellung ihres persönlichen Lebens’ – genau das, was Nina Simone meinte, als sie sagte, dass ein Künstler die Zeit widerspiegeln muss, in der er lebt.

Moloneys Schlagzeugparts bleiben das Fundament von Big Specials Sound, aber er hat seine Palette erweitert. Während das Debüt oft auf den kraftvollen Eins-Zwei-Schlag von Schlagzeug und Bass setzte, hört man nun mehr Textur und Dynamik. Die Produktion gibt jeder Komponente Raum zum Atmen, ohne die rohe Energie zu verlieren, die ihre Live-Auftritte so unvergesslich macht.

Basslinien, die wie ein Blitz dröhnen, Hooks, die tief eindringen, und Beats, die Funk im Gefühl der Frustration finden – diese Beschreibung fasst ihren Sound perfekt zusammen. Aber während “Postindustrial Hometown Blues” manchmal zu ertrinken drohte in seiner eigenen Intensität, weiß “National Average”, wann es Zeit ist, vom Gas zu gehen.

Hicklin bleibt ein Meister darin, universelle Themen in hyperspezifische, persönliche Erfahrungen zu verpacken. “Das sind vielleicht Dinge, die uns passiert sind, aber es ist Scheiße, die jeder erkennen wird”, und das ist genau seine Stärke. Der schwarze Humor, der seine Arbeit kennzeichnet, ist noch immer prominent vorhanden, fühlt sich aber nun weniger defensiv und mehr wie eine bewusste künstlerische Entscheidung an. Die Songs handeln vom Paradox des Erfolgs in einer kapitalistischen Gesellschaft: Du willst rauskommen, aber dann fühlst du dich schuldig, dass du weg bist. Es ist ein Thema, das besonders relevant ist im Jahr 2025, wenn soziale Mobilität zunehmend schwieriger wird, aber die Schuldgefühle um das ‘Weggehen’ weiterhin bestehen.

Obwohl “National Average” im Allgemeinen ein starkes Album ist, gibt es Momente, in denen die Band zu viel auf einmal will. Einige Tracks im Mittelteil fühlen sich etwas überladen mit konzeptuellem Ballast an, was den direkten emotionalen Einfluss etwas untergräbt. Außerdem fehlt dem Album ein Song vom Kaliber von “Shithouse”, der auf dem vorherigen Album die perfekte Synthese aus Wut, Humor und Katharsis war, die das Album so unvergesslich machte.

“National Average” bestätigt Big Special als eine der wichtigsten Stimmen in der zeitgenössischen britischen Musik. Sie haben bewiesen, dass ihr Debüterfolg kein Zufallstreffer war, sondern das Ergebnis einer nuancierten Sicht auf die menschliche Kondition im postindustriellen England. Das Album fühlt sich gleichzeitig persönlich und universell, lokal und zeitlos an.

Diese Geschichten sind ihre, aber die Lektionen sprechen zu uns allen. Das ist Big Specials größte Stärke: Sie machen Musik, die von einem spezifischen Ort und einer Zeit kommt, aber zu jedem spricht, der jemals mit der Frage gekämpft hat, wer er ist und wo er hingehört. “National Average” ist keine Revolution, sondern eine intelligente Evolution – und manchmal ist das genau das, was man braucht. Big Special beweist, dass sie zusammen mit Bands wie Sleaford Mods und Dry Cleaning nun die neue Spitze der neuen britischen Welle bilden. (8/10) (SO Recordings)

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