Übersicht über die Albumrezensionen: Sun Ra, Irma und mehr
|Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.
Checking For Echo Project – The Scattering of Leaves
Der Fall der Blätter wird oft als negativ angesehen, doch in Wirklichkeit markiert er den Beginn eines neuen Wachstums. Veränderung führt zu Wachstum. “The Scattering of Leaves” ist ein Dankeschön an geliebte Menschen, die wie Sterne in der Dunkelheit leuchten, uns unterstützen und begleiten. Der instrumentale Eröffnungstrack ist melancholisch. Das vokale “The Scattering of Leaves” ist beruhigend, enthält jedoch auch leicht rockige Gitarrenklänge. Die hohen (geschichteten) und gemischten Keyboardklänge verleihen “Venus” eine besondere Atmosphäre. Mit dem Ticken einer Uhr scheint “The Ticking Clock” zu enden, doch es geht weiter. Der “klassische” wortlose Gesang passt hervorragend zur Musik. Es folgt eine Mischung aus sphärischen Elementen und leicht rockigen Passagen. Die Texte von “Stormy Clouds or Brightly Lit” sind romantisch, und das Ende ist ziemlich unerwartet. Die verschiedenen Sänger haben eine klare Aussprache, und die Texte sind nicht schwerfällig. Die meisten Übergänge verlaufen allmählich, was zur ruhigen Gestaltung dieses Albums passt. Der Nettoerlös von “The Scattering of Leaves” wird an zwei Krebsstiftungen gespendet: Maggie’s in Großbritannien und KWF in den Niederlanden. (Esther Kessel-Tamerus) (7/10) (Eigenproduktion)
BSDE 4TET – Live at Parma Jazz Frontiere
Das niederländisch-italienische Ensemble BSDE 4TET kombiniert Free Jazz und Hard-Bop, um Musik zu schaffen, die nicht von allen verstanden wird. Dies ist Jazz mit einer Botschaft. Die Kompositionen sind oft von bedeutenden Ereignissen inspiriert und dienen als emotionale Interpretation dieser Ereignisse. Laut der Gruppe muss der Jazz von BSDE 4TET eine Bedeutung haben und zu tieferer Reflexion einladen. Eine zentrale Rolle spielt das Saxophon von Daniele Nasi, einem Absolventen des Prins Claus Conservatoriums in Groningen. Sein vielseitiges Spiel ist zweifellos führend, aber es macht das Verständnis der Stücke nicht einfacher, besonders da sie manchmal unterbrochen werden – zum Beispiel durch ein Telefongespräch im Eröffnungstrack “Drowning in Guilt”. Das Gespräch findet zwischen jemandem auf einem Flüchtlingsboot und der italienischen Küstenwache statt. Eine Stimme berichtet, dass sich hundert Personen auf dem Boot befinden, während die Musik ruhig dahinfließt. Oder “Waltz for Palestine”, das zunächst fröhlich mit einem verspielten Zusammenspiel von Klavier und Tenorsaxophon beginnt, aber schließlich in langsam verklingenden Tönen endet. Dieser Jazz fordert heraus, ist manchmal geradezu unangenehm, trifft jedoch als Statement absolut ins Schwarze. (Jeroen Mulder) (7/10) (GleAM Records)
Strawberry Girl – Sugar Cookie
Man muss schon einiges leisten, um eine EP von nicht einmal zehn Minuten wie eine Ewigkeit wirken zu lassen. Doch Strawberry Girl schafft es mit ihrer neuesten EP “Sugar Cookie”. Die Vocals wurden nach der Aufnahme so stark bearbeitet, dass der Effekt ins Gegenteil umschlägt. Wo man sie vielleicht ausgleichen wollte, gerät alles völlig aus der Bahn. Trotz der kurzen Spielzeit der EP ist es bemerkenswert, dass “Very Merry Girl” abrupt endet und man sich fragt: “Habe ich auf Pause gedrückt?” Auch die Melodien sind extrem generisch. Originalität ist hier nicht zu finden. Selbst wenn man Erdbeeren mag, ist diese “Sugar Cookie” schwer verdaulich. (Rik Moors) (2/10) (Records DK)
Sun Ra – Lights on a Satellite: Live at the Left Bank
Die Konzerte des Keyboarders, Komponisten und Bandleaders Sun Ra, komplett mit einer stattlichen Big Band und sogar Tänzern, müssen gewaltige Ereignisse gewesen sein. “Lights on a Satellite: Live at the Left Bank” ist eine Aufnahme eines Konzerts, das er am 23. Juli 1978 – Sun Ra war damals bereits 64 Jahre alt – in der Left Bank Society in Baltimore mit seinem “Myth Science Cosmo Swing Arkestra” gab. Die Auftritte mussten von intergalaktischer Größe sein, mit Schwerpunkt auf intergalaktisch – ein Überbleibsel einer Vision, in der Sun Ra behauptete, in seiner Jugend den Saturn besucht zu haben. Der Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen ist nicht auszuschließen, doch wie so oft führte dies zu Musik, die die Grenze zwischen Genialität und “völlig abgehoben” auslotet. Auch diese Aufnahme ist keine Ausnahme, mit einem Sun Ra und seinem Arkestra in Hochform. Percussion und Synthesizerklänge aus Ras Tasteninstrumenten bilden die Einleitung, bevor alles schnell in “Tapestry from an Asteroid” explodiert, mit komplexen Free-Jazz-Improvisationen (das Original dauert nur zwei Minuten, hier auf über zwölf ausgedehnt). Weitere Highlights sind das Big-Band-Fest “Big John’s Special” und die eigene Interpretation von Thelonious Monks “Round Midnight”. Manchmal abgehoben, aber absolut genial. (Jeroen Mulder) (8/10) (Resonance Records)
Irma – 11:24
Im sensiblen Spannungsfeld zwischen Authentizität und kommerzieller Verlockung entfaltet sich Irmas neuestes Album “11:24” als vielschichtiges Porträt einer Künstlerin im Wandel. Während ihre musikalische Reise ursprünglich als intime Geschichte einer jungen, talentierten Musikerin aus Douala begann, die Paris mit nichts als einer Gitarre und purer Emotion eroberte, präsentiert dieses Album eine komplexere, produzierte Version ihrer selbst. Das Album atmet die Spannung einer Künstlerin, die zwischen ihrem ursprünglichen Versprechen – der verletzlichen Sängerin, die YouTube mit akustischen Covern eroberte – und der geschliffenen Popstar-Version, zu der sie geworden zu sein scheint, balanciert. Jeder Track wirkt wie eine Verhandlung zwischen ihrem authentischen Ich und der Musikindustrie, die sie umarmt hat. Technisch ist das Album brillant produziert, mit Klangschichten, die von hoher musikalischer Expertise zeugen. Gleichzeitig scheint es, als sei die rohe Emotion, die ihr frühes Werk prägte, durch eine Schicht Autotune und glattgebügelte Arrangements gedämpft worden. Es ist, als würde Irmas ursprüngliche Stimme hinter einem Vorhang perfekter Produktion flüstern. Während die Songs von “Letter to the Lord” noch die Verletzlichkeit einer Künstlerin atmeten, die ihr Herz offenlegte, wirken die Stücke auf “11:24” inszeniert, choreografiert – mehr musikalisches Konzept als persönliche Ausdrucksform. Dennoch blitzt zwischen den polierten Schichten ihr Talent als Multiinstrumentalistin und ursprüngliche Künstlerin durch. “11:24” ist kein Rückschritt, sondern eine komplexe Evolution – ein Album, das ebenso von künstlerischem Wachstum wie von möglichen Kompromissen zeugt. Es beeindruckt, macht aber gleichzeitig Sehnsucht nach dem Mädchen mit ihrer Gitarre in der Pariser Metro. Ich verstehe es, aber ich vermisse die Irma von vor 13 Jahren. Ein Album über Verlust und Gewinn. Über Transformation. Über Irma. (Jan Vranken) (7/10) (Irma)