Nina Hagen – Unity

‘Ich war schwanger Mir ging’s zum Kotzen Ich wollt’s nicht haben, musste gar nicht erst nach fragen Ick fress’ Tabletten Und überhaupt, Mann Ich schaff’ mir keine kleinen Kinder an’

Mit dieser legendären ersten Strophe ihres ikonischen Songs „Unbeschreiblich Weiblich“ rockte die Nina Hagen Band 1978 Europa. Der Song stammt von einem der bis heute spannendsten Debütalben. „Tv-Glotzer”, „Naturträne”, „Rangeh’n” tolle Songs, die sich bis heute bewährt haben. Und was für eine großartige Band sie hinter sich hatte! Zwei Jahre später ging es als Spliff weiter, die auch die notwendigen revolutionären Veröffentlichungen hinter sich haben. Ach ja, die gute alte Zeit.

Nina Hagen ist jetzt 67 Jahre alt und bringt am 9. Dezember ihr neues Album „Unity“ heraus. „Personal Jesus“ war ihr letztes Album aus dem Jahr 2010, das sehr gemischt aufgenommen wurde. Es ist immer ein Happening, so eine Neuerscheinung von La Hagen, und jetzt kommt ‘Unity’

Das Album hat 12 Tracks und wurde größtenteils im Monobeat-Studio in Berlin aufgenommen. Warner Poland, der neue Bandleader von Nina Hagen, nimmt in diesem Studio unter der Woche die Soundtracks für bekannte deutsche Fernsehkrimis wie Tatort und Polizeiruf auf. Neben Poland an der Gitarre wird das Album musikalisch von Marcellus Puhlemann am Schlagzeug, Fred Sauer an den Keyboards und Michael O’Ryan am Bass gespielt. Puhlemann spielt seit Mitte der 90er Jahre mit Hagen, Sauer spielte zuvor auf Produktionen von Peter ‘völlig losgelöst von der Erde’ Schilling und O’Ryan, ist ein in Berlin lebender Kanadier, den wir vielleicht schon auf Alphaville-Alben gehört haben.

Produktionstechnisch ist Unity komplett fertig. Das Album klickt, frech, modern, die Stimme ist schön dick im Mix. Ab sofort komplett. Musikalisch etwas gewöhnungsbedürftig. Ninas Stimme ist nicht mehr der geile Punk-Sopran, der einem die Ohren zerfetzen kann. Sie singt im Allgemeinen viel tiefer. Viel Arbeit ist in die Stimme geflossen, das ist sicher. Stilistisch geht das Album in alle Richtungen. Vielleicht eigenwillig oder orientierungslos? Bleiben wir bei Hagens Skurrilität.

Bei „United Women of the World“ wird Hagen von Liz Mitchel (ja, von Boney M!) und Lene „Lucky Number“ Lovich unterstützt. Nur wegen diesen Typen nett. Mit ‘Wir sind die Frauen der Welt, wir sind die, die gebären’, kehrt Hagen auf ihrem Debütalbum zu ihrem ursprünglichen Thema zurück. Einmal Feministin, immer Feministin. Außerdem ein überproduzierter, lockerer Ohrwurm, der sich langweilt, bevor der Song zu Ende ist.

Unity wurde 2020 als Single veröffentlicht und enthielt keinen geringeren als George Clinton. Das Lied wurde als Reaktion auf den damaligen rassistischen Mord an George Floyd geschrieben. „Unity“ ist ein stark überproduzierter Reggae-Track. Hagen bezieht sich auf das Evangelium „Wade in the water“ und ruft zu Positivität und Toleranz auf. Bei „16 Tonnen“ und „Atomwaffenspervertrag“ verwendet Hagen Ausschnitte aus Reden des Bürgermeisterkandidaten von Cleveland, Dennis Kucinich. Was ihre Verbindung zu diesem Mann ist, wäre eine nette Frage für ein Interview, aber die Dame hat keine Lust darauf.

Das Album ist ein solches Potpourri an Stilen und Intentionen, dass man eigentlich jeden Song einzeln diskutieren möchte, das geht zu weit. Neben einem deutschsprachigen Cover von Dylans „Blowing in the Wind“, auf dem Hagens Stimme schon seit einiger Zeit wieder zu hören scheint, ist „Geld, Geld,Geld“ der beste Song des Albums. Auch bei diesem Song hören wir Hagen wirklich singen, und das wollen wir hören.

Auf „Unity” hören wir endlich wieder von Nina Hagen. Allein dafür lohnt es sich, das Album anzuhören. Es ist schön zu sehen, dass sie immer noch von Frauenrechten, dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Kapitalismus und Rassismus angetrieben wird. Thematisch kann Hagen auf dieser Welt leider noch hundert Alben machen.

Unity ist ein echtes Produzentenalbum geworden. Es klingt wie ein Uhrwerk, und es steckt eindeutig eine Menge Arbeit darin. Glückwunsch also an Warner Poland, die eindeutig mehr Arbeit in dieses Album gesteckt haben als Nina selbst. Das ist ein Kompliment, aber auch die Kritik an diesem Album. Ich hätte Nina gerne noch einmal gehört, nur mit einer dreiköpfigen Band und ihrer Stimme. Schön rockig. Schreien. Damit die Leute Sie hören und Ihnen zuhören. Das konnte sie so gut. (7/10) (Grönland Records)

Change consent