Übersicht über die Albumrezensionen: Nikki Nair, Fred Hersch und mehr

Jede Woche treffen Dutzende neuer Alben in der Redaktion von Maxazine ein. Viel zu viele, um sie alle anzuhören, geschweige denn zu rezensieren. Eine Rezension jeden Tag bedeutet, dass zu viele Alben zurückbleiben. Und das ist eine Schande. Deshalb veröffentlichen wir heute eine Übersicht der Alben, die in Kurzrezensionen in der Redaktion eintreffen.

Foto (c) Jorge Fakhouri

Shez Raja – Spellbound

Die Liste der Musiker, die auf “Spellbound” mitspielen, ist durchaus beeindruckend, mit Namen wie Guthrie Govan (Asia, Steven Wilson, Hans Zimmer) an der Gitarre, Dennis Chambers (Steely Dan, Santana, John McLaughlin) am Schlagzeug und Sitar-Virtuose Roopa Penesar. Sitar? Durchaus, denn Bassist Shez Raja bringt seine vertraute Mischung aus Jazzrock, Fusion und Funk mit östlichen Einflüssen. Trotz der Auswahl an Musikern, die ihre Mitwirkung an der Platte leisteten, bleibt die Hauptrolle beim Bass. Es bleibt unglaublich, was Raja aus dem Instrument – einem speziell für ihn gebauten fünfsaitigen Bass – herauszuholen weiß. Der Einfluss von Legenden wie Jaco Pastorius ist offensichtlich, aber gerade durch die Vermischung des Sounds mit östlichen Klängen entsteht ein völlig eigener Sound. Von den ersten Noten der Eröffnung “Quantum Spirits” an wogt, schwenkt und wirbelt dieser Bass mit einem unwiderstehlichen Groove von Track zu Track, wobei Raja den Gitarren und Bläsern ausreichend Raum lässt. Ein schönes Beispiel ist “Vishnu”, einer der Tracks, wo Dennis Chambers das Schlagzeug übernimmt. Das Bass-Riff setzt alles in Bewegung, woraufhin sich die Nummer zu einem Duett zwischen dem Bass und John Etheridges Gitarre aufbaut, mit dem Höhepunkt von Chambers’ Versuch, seine Trommeln mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits zu prügeln. Einer der wenigen Ruhepunkte ist die Ballade “Together We Fly”, zugleich die einzige Nummer mit dem übrigens wunderschönen Gesang von Fiza Haider. Dann fällt umso mehr auf, mit wieviel Sorgfalt diese Platte produziert wurde: dank brillantem Mastering, Ihr Rezensent hatte das Glück, dies auf CD anhören zu dürfen, ein Genuss, ist dies auch schmackhaftes Futter für Audiophile. (Jeroen Mulder) (8/10) (Gearbox Records)

Mark Guiliana – questions (volume one)

Der vielseitige Schlagzeuger Mark Guiliana, bekannt durch seine Arbeit mit David Bowie und Brad Mehldau, verlagert seinen Fokus vollständig auf introspektive Klaviermusik bei seiner neuesten Veröffentlichung. Als Fortsetzung seines Grammy-nominierten “MARK” von 2024 präsentiert Guiliana neun meditative ‘Fragen’, die sich um ein intimes aufrechtes Klavier entfalten, subtil ergänzt durch elektronische Elemente. Das Album eröffnet wunderschön mit “how can i help?”, wobei Guilianas minimalistische Herangehensweise sofort auffällt. Jeder der neun Tracks trägt einen fragenden Titel und fühlt sich wie ein persönlicher Dialog zwischen Künstler und Zuhörer an. Die Produktion, betreut von seinem ständigen Mitarbeiter Stu Brooks, erschafft eine warme, strukturelle Klangwelt, in der Raum und Stille genauso wichtig sind wie die gespielten Noten. “what is your question?” schließt das Album mit filmischen Landschaften ab, die lange nachhallen. Guilianas Übergang von der Rhythmussektion zur melodischen Komponente gelingt ausgezeichnet. Sein Hintergrund als Schlagzeuger ist in der subtilen Taktung und Dynamik merkbar, aber “questions (volume one)” steht vollständig auf eigenen Beinen als kontemplatives Klavierwerk. Das Album verlangt Geduld und Aufmerksamkeit, aber belohnt den konzentrierten Zuhörer mit einer reichen, emotionalen Erfahrung, die zu späten Stunden oder Momenten der Selbstreflexion passt. (Jan Vranken) (7/10) (Edition Records)

Fred Hersch – The Surrounding Green

Der 69-jährige Pianist Fred Hersch liefert mit seinem dritten ECM-Album ein Meisterwerk der Trio-Interaktion ab. Zusammen mit Bassist Drew Gress und Schlagzeuger Joey Baron, beide jahrzehntelange musikalische Partner, nahm er dieses intime Album im renommierten Auditorio Stelio Molo in Lugano unter der fachkundigen Leitung von Produzent Manfred Eicher auf. Die sieben Tracks kombinieren drei Hersch-Originale mit überarbeiteten Klassikern von unter anderem Ornette Coleman (“Law Years”) und George Gershwin (“Embraceable You”). Hersch’ eigene Kompositionen strahlen lyrische Intensität aus. Der Titeltrack entfaltet sich als zeitlose melodische Erfindung, während “Anticipation” einen unwiderstehlichen Latin-Groove einführt. Die Trio-Chemie ist außergewöhnlich verfeinert; Joey Barons geniale Dynamik und Drew Gress’ vertraute harmonische Herangehensweise schaffen ein perfektes Gleichgewicht zwischen Intimität und Expansivität. Besonders berührend ist die Interpretation von Charlie Hadens “First Song”, wobei die geteilte Geschichte zwischen den Musikern fühlbar wird. Hersch’ Verwendung von Raum und Stille zeigt seine reife künstlerische Vision, wobei jede Note wesentlich anfühlt. ECMs charakteristische Produktionswerte fangen jede Nuance von Hersch’ Anschlag und das Zusammenspiel des Trios perfekt ein. Ein Album, das sowohl in Jazztraditionen verwurzelt ist als auch Grenzen verschiebt. Ein zeitgenössisches Meisterwerk. (Jan Vranken) (9/10) (ECM Records)

Nikki Nair – Violence is the Answer

Der in Atlanta ansässige Produzent Nikki Nair überraschte im Juni mit dieser sechs Tracks zählenden EP, voller seines charakteristischen ‘gummiartigen’ Sound-Designs und eklektischer Zusammenarbeiten. Gastkünstler yunè pinku, Uffie (Ed Banger Records), Blaketheman1000 und Harmony Tividad fügen jeweils ihre eigene Farbe zu dieser energetischen Fahrt durch Acid House, Baltimore Club und moderne Elektronika hinzu. Das Album dreht sich laut Nair um ‘Steuern zahlen, Miete zahlen, Arbeit haben, Beziehungen’, was in überraschend zugänglichen Tracks über alltägliche Sorgen resultiert. “The Button” und “Just Wanna Know” (beide mit Uffie) glänzen durch ihre ansteckende Energie und scharfsinnige Produktionsdetails. Nair kombiniert Piano-Stabs, saure Synthesizer und geschichtete Vocals zu einem Ganzen, das sich sowohl tanzbar als auch experimentell anfühlt. Mit nur zwanzig Minuten Spielzeit fühlt sich die EP manchmal zu kurz an, aber das passt zu Nairs Philosophie der konzentrierten Wirkung. Die Vielfalt der Gäste hält jeden Song frisch, obwohl die kurze Dauer manchmal auf Kosten tieferer Entwicklung geht. “Violence is the Answer” ist ein Statement eines Produzenten, der weiß, wie er moderne Clubkultur und persönliche Geschichten zu etwas Einzigartigem im Elektronika-Genre zusammenbringt. (Elodie Renard) (6/10) (Future Classic)

Hannah Brine – Blue Sky Now

“Blue Sky Now” ist das Debütalbum der britischen Singer/Songwriterin Hannah Brine. Erwarten Sie jedoch kein typisches Singer/Songwriter-Album: mit diesem Label tun wir Brine und der Varietät an Stilen auf dem Album ernsthaft Unrecht. Von der Samba in der Single und Eröffnungstrack “One Precious Life” bis hin zum zurückhaltenden bis zum besonders schönen “Little Bird”, wo sie nur von einem Klavier begleitet wird, und gerade dem reichen, vollen Arrangement mit Streichern in “Goodbye London”. Aber was vor allem in den zwölf eigenen Kompositionen auffällt, sind die Texte. Brine zeigt sich als ausgezeichnete Erzählerin in ihren Texten und gerade darin liegt die Verbindung zu den besten Singer/Songwritern. Der Vergleich mit Joni Mitchell drängt sich schnell auf, wäre da nicht, dass Brines Stimme von einem ganz anderen Kaliber ist: voller und sinnlicher. Und das passt dann wieder ausgezeichnet zum vorherrschenden Genre auf der Platte. Denn “Blue Sky Now” hat eine unverkennbare Jazz-Atmosphäre. Höhepunkt auf der Platte ist “You Make Me Believe In Love”, wo alles zusammenkommt: Text, Arrangement und Brines Stimme. “You make my heart sing at last”, singt Brine. Können wir nur bestätigen. (Jeroen Mulder) (8/10) (Hannah Brine)

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